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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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hatte.
    »Wir hätten ausreißen sollen«, bemerkte er am Abend vor der Hochzeit. »Lilian und Ben haben es richtig gemacht: Auf und davon, und eine Unterschrift auf dem Standesamt von Auckland.«
    Gloria schüttelte den Kopf. »Nein, es muss schon hier stattfinden«, sagte sie mit ungewohnt weicher Stimme.
    Am Tag zuvor war ein Brief von Kura und William Martyn eingetroffen, die Antwort auf Glorias und Jacks Verlobungsanzeige und Einladung zur Hochzeit. Letzterer konnten sie natürlich nicht beiwohnen – und zeigten sich pikiert darüber, dass man bei der Planung keinerlei Rücksicht auf die Tournee genommen hatte. Ihre Truppe weilte zurzeit mal wieder in London. Theoretisch hätten sie also kommen können; in ungefähr acht Monaten wären Termine frei gewesen. Gloria hatte sich zunächst über den Brief geärgert, aber dann nahm Jack ihr das Schreiben aus der Hand, überflog es kurz und legte es aus der Hand.
    Er zog Gloria an sich, die schon wieder erstarrt war, als sie Kuras Brief nur berührt hatte.
    »Ich hätte niemals gewagt, dich auf diese Art zu lieben ...«, sagte er versonnen in ihr Haar.
    Gloria machte sich los und blickte verwirrt zu ihm auf. »Wie meinst du das?«
    »Wenn sie dich nicht nach England geschickt hätten«, führte Jack aus, »wärst du hiergeblieben und für mich nie erwachsen geworden. Ich hätte dich geliebt, aber wie eine kleine Schwester oder eine nahe Verwandte. Du ...«
    Gloria verstand. »Ich wäre für dich 
tapu
 gewesen«, bemerkte sie. »Das mag sein. Aber soll ich meinen Eltern jetzt dafür auf Knien danken?«
    Jack lachte. »Du solltest ihnen jedenfalls nicht mehr so böse sein. Und du solltest das Postscriptum lesen ...« Er hob den Brief auf, glättete ihn und drückte ihn ihr in die Hand.
    Gloria schaute verständnislos auf die paar Worte im Anhang des Briefes: Kura Martyn bat Gwyneira, eine Urkunde vorbereiten zu lassen. Sie beabsichtigte, ihrer Tochter Kiward Station zur Hochzeit zu überschreiben. Gloria schien etwas sagen zu wollen, brachte aber kein Wort heraus.
    »Hast du keine Angst, dass ich dich jetzt nur wegen all deiner Schafe heirate?«, fragte Jack lächelnd.
    Gloria zuckte die Schultern und holte tief Luft.
    »Das kann auch gutgehen«, bemerkte sie dann. »Denk an Grandma Gwyn. Die führte mit den Schafen ihres Gatten ein langes, glückliches Leben.« Gloria lächelte und griff nach Jacks Hand. »Und jetzt komm, wir erzählen es ihr. Sie wird zum ersten Mal seit Jahrzehnten richtig gut schlafen.«
     
    Der Hochzeitstag selbst war dann ein strahlender Sommertag. Jack atmete auf, als der Morgen wolkenlos aufzog. Bei seiner Hochzeit mit Charlotte hatte es geregnet. Mit blutendem Herzen verzichtete Elaine auf den Hochzeitsmarsch bei der Trauung – Gloria wollte einfach kein Klavier mehr sehen. Marama tat der Tradition der 
pakeha
 schließlich trotzdem Genüge und blies Lohengrin auf der 
picorino
-Flöte. Auch sonst sorgte sie für die Musik bei der Trauung und sang mit ihrer ätherischen Stimme Liebeslieder der Maoris.
    »Das war wunderschön«, sagte Miss Bleachum, die Gloria als Trauzeugin zur Seite stand, mit sanfter Stimme. Sie klang glücklich und wirkte hübsch und jugendlich in ihrem hellblauen, modischen Kleid. Der offensichtliche Grund dafür saß neben ihr: Dr. Pinter begleitete sie zur Trauung. Und auch der ehemalige Stabsarzt war kaum wiederzuerkennen. Er hatte zugenommen; der gehetzte Ausdruck der Kriegszeit war einem gelassenen, ruhigen Blick gewichen. Er berichtete Jack, dass er wieder operiere.
    »Ein kleiner Junge mit missgebildeter Hüfte. Er gehörte zu einem der Kriegsinvaliden – die Leute hatten natürlich kein Geld, das Kind wäre ein Krüppel geblieben. Und da meinte Sarah, ich sollte es einfach versuchen.« Er bedachte Miss Bleachum mit einem so anbetenden Blick, als verdanke er allein ihr seine Genesung.
    »Und jetzt eröffnen wir ein Kinderhospital!«, erzählte Miss Bleachum. »Robert hat ein bisschen Geld geerbt, und ich habe gespart. Wir haben ein wunderschönes Haus gekauft. Und es passt so wunderbar! Die Kinder müssen nach diesen Operationen ja lange liegen und können nicht zur Schule gehen. Da kann ich sie unterrichten. Es wäre mir schwergefallen, meinen Beruf aufzugeben ...«
    Sie errötete, während sie die letzten Worte sprach.
    »Das heißt, Sie heiraten, Miss Bleachum?«, fragte Jack. Er wusste es natürlich, aber er fand es nach wie vor faszinierend, Glorias frühere Erzieherin rot werden zu sehen. »Und dabei

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