Der Ruf Der Trommel
geketteten Männer zu abrupten Kurswechseln, wenn sie auf den Füßen bleiben wollten. Sie erinnerten an drei Betrunkene auf dem Nachhauseweg von der Dorfkneipe, was in drastischem Kontrast zum Ernst der Lage stand. Über die Trommeln hinweg hörte ich Gelächter aufbrausen, und von den schmiedeeisernen Balkonen der East Bay Street erschollen Anfeuerungsrufe.
»Warst du das?« Ich sprach leise, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber ich hätte auch schreien und mit den Armen rudern können; niemand hatte Augen für irgend etwas anderes als die Szene vor uns.
Ich spürte Jamies Schulterzucken mehr, als daß ich es sah, während er einen Schritt vortrat und sich neben mich stellte.
»Er hat mich darum gebeten«, sagte er. »Es war alles, was ich für ihn tun konnte.«
»Brandy oder Whisky?« fragte Fergus, der Hayes’ Erscheinung mit Kennerblick begutachtete.
»Der Mann ist ein Schotte, mein lieber Fergus.« Jamies Stimme war so ruhig wie sein Gesicht, doch ich hörte die leise Anspannung darin. »Er wollte Whisky.«
»Gute Wahl. Mit etwas Glück wird er es nicht einmal merken, wenn sie ihn hängen«, murmelte Fergus. Der kleine Mann war dem Griff des Priesters entschlüpft, auf der sandigen Straße mitten aufs Gesicht gefallen und hatte dabei einen seiner Mitgefangenen auf die Knie heruntergezogen. Der dritte Gefangene, ein hochgewachsener junger Mann, blieb auf den Füßen, schwankte aber wild hin und her, während er mit aller Kraft versuchte, die Balance zu halten. Die Menge auf dem Platz brüllte vor Schadenfreude.
Der Hauptmann der Wache glühte zwischen seiner weißen Perücke und seinem Kragen vor Wut mindestens genauso feuerrot wie von der Sonne. Er bellte einen Befehl, die Trommeln setzten ihr finsteres Rollen fort, und ein Soldat bemühte sich hastig, die Kette zu entfernen, die die Gefangenen aneinanderfesselte. Hayes wurde ohne Umschweife auf die Füße gerissen, an beiden Armen von einem Soldaten ergriffen, und die Prozession nahm ihren Weg wieder auf, diesmal in besserer Ordnung.
Das Gelächter verstummte, als sie das Schafott erreichten, einen von Maultieren gezogenen Karren unter den Ästen einer riesigen
Eiche. Ich spürte das Schlagen der Trommeln durch meine Fußsohlen. Mir war ein bißchen schlecht von der Sonne und den Gerüchen. Das Trommeln endete abrupt, und die Stille summte in meinen Ohren.
»Du mußt es dir nicht ansehen, Sassenach«, flüsterte Jamie mir zu. »Geh zurück zum Wagen.« Seine Augen waren fest auf Hayes gerichtet, der murmelnd im Griff der Soldaten schwankte und sich trübäugig umschaute.
Zusehen war das letzte, was ich wollte. Aber ich konnte Jamie auch nicht dabei im Stich lassen. Er war wegen Gavin Hayes gekommen; ich war seinetwegen gekommen. Ich berührte seine Hand.
»Ich bleibe hier.«
Jamie richtete sich höher auf. Er trat einen Schritt vor und sorgte so dafür, daß er in der Menge gut sichtbar war. Falls Hayes noch nüchtern genug war, um irgend etwas zu sehen, dann wäre das Letzte, was er auf dieser Welt sah, das Gesicht eines Freundes.
Er konnte sehen - Hayes stierte hierhin und dorthin, als sie ihn auf den Karren hoben, und reckte verzweifelnd suchend den Hals.
»Gabhainn! A charaid!« rief Jamie plötzlich. Hayes’ Blick fand ihn sofort, und er mühte sich nicht länger ab.
Der kleine Mann stand leicht schwankend da, als die Anklage verlesen wurde: Diebstahl in Höhe von sechs Pfund, zehn Schillingen. Er war mit rötlichem Staub bedeckt, und Schweißperlen hingen zitternd in seinen grauen Bartstoppeln. Der Priester beugte sich dicht zu ihm herüber und murmelte drängend in sein Ohr.
Dann setzten die Trommeln in einem gleichmäßigen Wirbel wieder ein. Der Henker führte die Schlinge über den fast kahlen Kopf und zog sie fest. Den Knoten positionierte er präzise unter dem Ohr. Der Hauptmann der Wache stand mit erhobenem Säbel in Habachtstellung.
Plötzlich richtete sich der Verurteilte zu voller Höhe auf. Den Blick auf Jamie gerichtet, öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen.
Der Säbel blitzte in der Morgensonne, und das Trommeln endete mit einem letzten, abgehackten Schlag.
Ich sah Jamie an. Er war kalkweiß und starrte ins Leere. Aus dem Augenwinkel sah ich das ruckende Seil und das schwache, unwillkürliche Zucken des baumelnden Kleiderbündels. Ein scharfer Geruch nach Urin und Fäkalien durchschnitt die dicke Luft.
Neben mir beobachtete Fergus gelassen das Geschehen. »Dann hat er es wohl doch gemerkt«, murmelte er
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