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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sanft schwingende Irisch des Mannes ließ offen, ob dies eine Frage war, eine Feststellung - oder eine Provokation.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß es ein Beruf ist, der große Erfahrung erfordert.« Aus einem Grund, den er nicht benennen konnte, sträubten sich in Kapitän Bonnets Gegenwart seine Nackenhaare.
    Die grünen Augen verschärften sich.
    »Vielleicht mehr, als Ihr glaubt - aber es ist sicher keine Sache, die ein williger Mann nicht lernen könnte. Aber was könnte es sein, das einen von Eurer Sorte plötzlich auf See zieht?«
    Seine Augen flackerten im Schatten der Wirtschaft, während sie ihn betrachteten. Von Eurer Sorte . Was war es? fragte sich Roger. Nicht
seine Aussprache - er hatte darauf geachtet, jede Andeutung des Oxforder Gelehrten zu unterdrücken und den singenden »Teuchter«-Dialekt der Inseln zu benutzen. War er für einen Möchtegern-Seemann zu gut gekleidet? Oder war es der versengte Kragen und die Brandstelle auf der Brust seines Rocks?
    »Ich denke, das ist nicht Eure Angelegenheit«, antwortete er gelassen. Mit deutlicher Anstrengung hielt er die Hände an seinen Seiten entspannt.
    Die grünen Augen studierten ihn ungerührt und reglos. Wie ein Leopard, der ein vorbeiziehendes Gnu beobachtet und sich fragt, ob es wohl die Jagd wert ist, dachte Roger.
    Die schweren Lider senkten sich; er war es ihm nicht wert - im Augenblick.
    »Bei Sonnenuntergang seid Ihr an Bord«, sagte Bonnet. »Fünf Schillinge im Monat, drei Tage in der Woche Fleisch, sonntags Plumpudding. Ihr bekommt eine Hängematte, aber für Eure Kleider müßt Ihr selbst sorgen. Ihr könnt das Schiff verlassen, wenn die Fracht entladen ist, vorher nicht. Sind wir uns einig, Sir?«
    »Abgemacht«, sagte Roger, dessen Mund plötzlich ausgetrocknet war. Er hätte viel um ein Bier gegeben, aber nicht jetzt, nicht hier unter diesem aufmerksamen grünen Blick.
    »Fragt nach Mr. Dixon, wenn Ihr an Bord geht. Er ist der Zahlmeister.« Bonnet lehnte sich zurück, zog ein kleines, in Leder gebundenes Buch aus seiner Tasche und schlug es auf. Audienz beendet.
    Roger wandte sich um und ging hinaus, ohne zurückzusehen. Er spürte eine kleine, kalte Stelle an seinem Schädelansatz. Wenn er sich umsah, das wußte er, dann würde er die grünen, leuchtenden Augen reglos über den Rand des ungelesenen Buches gerichtet sehen, und sie würden jede Schwäche registrieren.
    Die kalte Stelle, dachte er, war dort, wo die Zähne zupacken würden.

37
    Gloriana
    Vor seiner Einschiffung auf der Gloriana hatte Roger seine Kondition für annehmbar gehalten. Im Vergleich mit den sichtlich unterernährten und verschrumpelten Menschenexemplaren, aus denen sich der Rest der Besatzung zusammensetzte, hielt er sich sogar für ziemlich kräftig. Es dauerte exakt vierzehn Stunden - die Länge eines Arbeitstages -, ihn von dieser Überzeugung zu kurieren.
    Blasen hatte er einkalkuliert, Muskelkater ebenso; Kisten hochzuheben, Sparren zu stemmen und an Seilen zu ziehen war für ihn keine neue Arbeit, obwohl er so etwas lange nicht mehr gemacht hatte.
    Woran er nicht gedacht hatte, das war die durchdringende Müdigkeit, die genauso von der ständigen Kühle der feuchten Kleider herrührte wie von der Arbeit. Er begrüßte die schwere Arbeit im Frachtraum, weil sie ihn zeitweise aufwärmte, auch wenn er wußte, daß der Wärme ein leichtes, konstantes Zittern folgen würde, sobald er an Deck ging, wo der Wind wieder seine eisigen Klauen in seine schweißnassen Kleider krallen konnte.
    Daß der nasse Hanf ihm die Hände aufrauhte und zerkratzte, war schmerzhaft, doch damit hatte er gerechnet; am Ende des ersten Tages waren seine Handflächen schwarz vom Teer, und die Haut an seinen Fingern platzte auf und blutete an den aufgeschürften Gelenken. Doch der nagende Hungerschmerz hatte ihn ziemlich überrascht. Er hätte nie geglaubt, daß man so hungrig sein könnte, wie er es jetzt war.
    Der knorrige Menschenklotz, der an seiner Seite arbeitete - Duff geheißen - war ähnlich durchnäßt, schien sich aber durch diesen Zustand nicht weiter beeindrucken zu lassen. Seine lange, spitze Nase, die wie eine Wieselschnauze aus dem hochgeschlagenen Kragen seiner zerlumpten Jacke ragte, war an der Spitze blau angelaufen und tropfte mit der Regelmäßigkeit eines Stalaktiten, doch seine hellen Augen waren scharf, und der darunterliegende Mund grinste breit und entblößte ein Gebiß, das die Farbe des Wassers im Firth hatte.

    »Kopf hoch, Mann. Futter in zwei

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