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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Züge und wurden weich und kindlich. Er schnob dabei in die eine Achselhöhle hinein, über der sein träger Kopf ruhte, und die Fransen seiner Wimpern bebten tiefschwarz auf dem Elfenbein seiner Wange. Das Amulett, das an der abgezirkelten Haarhecke über seiner Stirne hing, rührte sich leicht im Sommerwind.
    Er lag jetzt wieder so zusammengekrümmt, daß seine eine Fußsohle in der Handfläche des freien Armes ruhte. – –
    Die Sonne glitt langsam ihren absteigenden Pfad. Grillendurchschrillte Stunden, hitzeschwanger, wandelten vorüber wie Frauen, die lechzende Tonkrüge auf starren Häuptern zu dem Brunnen tragen, aus dem sie eitel Stille schöpfen. Der Weizen wurde an den Spitzen der noch ungespaltenen Fruchtwiegen traumhaft zart bewegt ... Ein wabernder Schleier wie aus feinstem Wasserdunst lag auf den tiefgrünen Strecken; und die Memnonskolosse, umzittert von Hitze, flimmertenin ihren ragenden Konturen am Rand des Gesichtsfelds, kaum erkennbar auf dem ockergelben Hintergrund der ruhig hingelagerten Hügel. Das ganze Tal dampfte von trockener Hitze und verstohlener Fruchtbarkeit, die ihr unerschöpfliches Leben aus den Tiefen des hartgesprungenen Schlammes saugte. Unter regungslosen Palmbeständen, grau und geduckt, wie Zufluchten lichtscheuer Tiere, lagen die Dörfer Naga-el-Kôm und el-Bairat, und westlich, wie Abfälle der Hügel, die zerfallenen Quadermassen der Tempel von Kurna und Medînet-Habu. Der Nil, der wie eine schweratmende riesige Schlange satt in der Sonne lag, schleppte seine graugrüne Wassermenge unmerkbar dahin, überblinkt von der hellen Strandhäuserreihe Luksors. Die Stille war zeitlos; die Luft gleichsam gebändigt von der unverrückbaren Zeit, die wie mit Steinquadern auf ihr lastete; und der Himmel schwelte in weißlicher Farbe gleich flüssig siedendem Metall.
    Und an den schlummernden Daûd traten allerlei Traumgeister heran, die von allen Seiten aus dem Weizenfeld auftauchten und es mit ruckweisem Schritt durchmaßen, bis sie mit erstarrtem Lächeln vor ihm standen und ihre verzückten Blicke über ihn spielen ließen, traumekstatisch heiter, Gebilde seines knabenhaften Geistes. Denn in dem schmalen, birnenförmigen Schädel Daûds hausten, ihm selbst unbewußt, Schemen, die zur passenden Stunde ein buntes Leben außerhalb der Wirklichkeit führten, Gestalt annahmen, Kleider trugen, Hände und Knie rührten und unendliche, murmelndeReden führten, ohne Anfang und Ende, Grillensangreden, die nur Sinn hatten, wenn man ihnen nicht lauschte, sondern ihrem sanften bedeutungslosen Tonfall eigene Gedanken unterschob. Die Schemen kamen zutraulich und schmiegsam heran; sie setzten sich in dem gestampften Umkreis der Sakije nieder und trieben Mittagsphilosophie ... Manchmal war es ein Alter, manchmal waren es schmale Knaben, die mit hochgezogenen Brauen kreischenden Lärm um ein Nichts vollführten, manchmal Weiber, die aus schwarzer Abaja heraus mit schweren Silberspangen geschmückte Arme streckten und sich in die Haare gerieten, wobei ihre blautätowierten Kinne bebten wie die von Kindern, die an Fieber leiden.
    Daûd hatte die Empfindung, daß heute ein besonderes Ding seinen Umgang halte, irgendeine Festesfreude, eine Trunkenheit, und daß man es ganz besonders gut mit ihm meine. Der das alles mit süßem Erschrecken empfand, war der träumende Daûd, das Seelchen in der irdischen Kapsel. Der Körper spürte nichts, er war nur da wie eine Weizengrane und hatte nichts mit dem allen zu tun, was die Seele sah ... Er besorgte nur seine behagliche Porenarbeit, sein brünstiges Aufschlucken aller Wärme; er streckte sich nur in unbewußter Sehnsucht und war ein Sinnbild wunschlosen Lebens. Doch was sah der innere Daûd? Das erste war, daß er seinen Vater erblickte, den alten Fellachen Zabal-abu-Dabbûs, und der Vater machte Feiertag, freute sich und johlte; und hinter ihm, wie eineRotte toller Hunde, stürmten seine Freunde heran, Abu-Afra und Abu-Damûm, jeder ein frischblutendes Vierteil von einem jährigen Zicklein unter dem Arm.
    Sie sprangen zu dritt in Hechtsprüngen geradeswegs auf Daûd zu; sie sprangen über den Weizen, daß es eine Art hatte, und waren um zwanzig Jahre verjüngt, was den Knaben nur flüchtig erstaunte. Und als sie vor Daûd standen, sagte Zabal: »Friede über dir, mein Sohn, verlaß die Sakije und komm mit; wir gehen zu Umm-Dabbûs, deiner Mutter, und machen miteinander eine große Schmauserei!« – Daûd war einverstanden, denn es war ja sein jugendlicher

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