Der Sang der Sakije
nippten dankbar und emsig mit ihren gierigen Rüsseln von jeder krätzigen Stelle; sie lagerten ihre Eier in dem Buschwald der plump fächelnden Ohren ab; sie saßen dick und glänzend an den Rändern der hellgrauen porösen Nüstern und bekränzten die dumm vorquellenden Augäpfel, kaum verscheuchbar durch die weichen Wimpern ... Erst jetzt, nachdem eine Kraft aus unbekannter Richtung her eine Gerte herunterschickte, erhoben sie sich wie eine Wolke; und auch der Wiedehopf strich zwischen den Beinen des Büffels davon.
Das, was jetzt auf dem Treibbalken aufrecht stand und die Gerte geschwungen hatte, stellte einen staubigen Jungen vor, einen Fellachenjungen von beiläufig neun Sommern. Er war nicht mager und nicht fett; er war hellbraun wie Nilschlamm und ein Kind des Ackers. Seine gespreizten Zehen krümmten sich um die Balkenkante, und mit dem einen Arm holte er mächtig aus, so mächtig, daß es schien, als müsse die Wucht des Schlagesihn selbst davonraffen, mitten in das fette Grün hinein. Doch blieb er stehen; und nach jedem Schlag, der auf den faulen Büffel prasselte, tat er einen kleinen elastischen Satz und zappelte mit den Schenkeln. Er tat es nicht schweigend, sondern kreischte dabei mit sehr heller Stimme eine langgedehnte Arie, in deren Verlauf der Büffel zum Schwein degradiert und der ehrliche Name seiner sämtlichen Vorfahren getilgt wurde. Während der Büffel sich wiederum in Bewegung setzte, flaute die Ansprache etwas ab und wurde zu einem schleppenden Gesang, zu einem Selbstgespräch, das der Knabe mit seinem zufriedenen, wunschlosen Herzen hielt. Er blickte auch nicht mehr das graue Laster an, das seinen Sklavengang weiterschritt, sondern begleitete mit endlos wiederholten Worten das wiedererwachte Lied der Sakije, tat es ihr gleich und übertrumpfte sie ... So hockte er in all dem Gequietsch und Gesumm auf seinem Hochsitz: das war seine Welt.
Wiewohl rechtschaffen braun, hatte er doch eine hellere Haut als seine Altersgenossen in den umliegenden Dörfern und in Luksor drüben auf der anderen Seite des Stromes. Er war haarlos und blank; geschmeidig wie eine Katze und so schuldlos, daß er dem hellen Tag und seinen vielen Augen ohne Skrupel seine Nacktheit zeigte; er turnte auf dem schmalen Balken, der kaum Platz für sein Rückgrat bot, elastisch umher, als sei er ein breites Pfühl. Mitunter lag er auf dem Bauch und sandte den Blick in die Tiefe des Brunnens hinab, wo die Toneimer mit glucksendem Geplätscherdas brackige Wasser erfaßten, um damit an dem zerfaserten Bastseil emporzuklettern. Drunten war es kühl und schwarz. Zuweilen war er selbst herabgerutscht und hatte mit den Beinen in der Nässe gewühlt ... dann aber, von einem Schauder ergriffen, hatte er sich eilends wieder heraufgewunden, als habe der Afrîd ihn mit seinem lichtfeindlichen Blick gestreift, der erdfarbene Afrîd, der in jedem Brunnen seine Zuflucht sucht und zur Nachtzeit bei Sternenglanz wie ein unförmiger Klumpen auf der Achse des Rades hockt.
Und dein Gesicht, Daûd-ibn-Zabal, du kleiner harmloser Teufel? Es war rund; die Nase war sanft gebogen und der Mund, mit breiten, gummiartigen Lippen, stets ein wenig offen ... Die becherähnliche Unterlippe trat schlaff hervor, da die obere Lippe dadurch, daß er die Nüstern krauste, in die Höhe ging und schlohweiße Schneidezähne, wie ein kleines Blinklicht unverwüstlichen Appetits, entblößte. Eine senkrechte Falte teilte die wie poliert glänzende Kinderstirn, und ein sachter Faltenkranz stellte sich um die Augen, die hinter gebogenen Wimpern schwarz blitzten wie versteckte Schätze. Viele Fliegen von der kleinsten Art rannten in den Augengruben umher; und nur ab und zu wischte der schmale Handrücken sie gleichmütig fort. Diese verdrießliche Mimik zeigte Daûd, wenn sein Kopf in der Sonne lag ... Es ist dies die Maske aller Leute, die viel im Freien sind, und deren Gesichtsfeld eitel flammende Sonne ist. Mit frühen Jahren wird ein solches Gesicht alt, und die Faltenätzen sich ein, auch in schattiger Muße; es ist ein böses Ding um diese Falten; sie machen eine arbeitsmüde Fratze aus einem sorglosen Mund, einer ehemals glatten Stirn; sie kriechen auch unter das Kinn und zerreißen die Halshaut älterer Leute in rauhe Wampen wie die der Stiere: sie machen mißtrauische Mienen und verkehren offene Blicke in Ritzen, aus denen Hinterlist blitzt. Aber Daûd war noch sehr jung; und wenn er das Antlitz in den Schatten tat und schlummerte, so entspannten sich seine
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