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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Vortragsmeister eine Kasîde, so traumschön, so reich an Bildern und galanten Wendungen, daß Daûd den Mund noch weiter öffnete und ganz schwachatmendes Gehör wurde, und daß die älteren Männer vor Vergnügen mit den Stöcken auf den Boden schlugen, sobald der Refrain wiederkehrte, den Zabal in zitternder Höhenlage und mit geschlossenen Augen zum Dach emporschickte.
    »He, du mit dem Schmuck in den Ohren,
Du handelst mit Rosen nach Pfunden!
Wie herrlich hockst du im Mist!
Ich bin Zabal-ibn-Dakka,
Ein Dichter bin ich und Dorf-Schêsch.
    He, du mit dem Schmuck in den Ohren,
Du handelst mit Rosen nach Pfunden!
Zichorie wollen wir schmausen;
In Leinöl gebratene Eier;
Ich gebe dir Bündel von Lattich;
Und Buttermilch, lecker in Näpfen.
    He, du mit dem Schmuck in den Ohren,
Du handelst mit Rosen nach Pfunden!
Ich bringe dir Ful, frisch gebrochen,
Und Suppe und Bohnen mit Bîsâr;
Wir setzen uns neben die Krippe,
Du drehst dich und tanzest im Staube.
    Und nun als Siegel der Rede: –
He, du mit dem Schmuck in den Ohren!
Schick ein Gebet zum Propheten,
Dem Mittler unsrer und aller!
Du handelst mit Rosen nach Pfunden:
Ich flöte zum Dank meine Verse!«
    Als Zabal abbrach, war es noch eine Weile still; dann wiegten alle Zuhörer die Köpfe und sprachen inbrünstig: »Allah! Allah!« – – – Umm-Dabbûs vollends war so befriedigt, daß ihr die Handmühle, die sie auf dem Kopfe trug, herunterfiel; dann sprach sie: »Ich tat dir unrecht, Zabal, damit, daß ich dich einen Stümper nannte.«
    »Sing sie noch einmal, die Kasîde, o Zabal!« meinten die beiden Freunde und strählten mit den Fingern ihre schwarzen Bärte. »Sie ist herrlich, deine Kasîde!«
    »Was hat Gott nicht gegeben!« erwiderte Zabal recht geschmeichelt. »Wohlan denn!« und er sang seinLied noch einmal, und diesmal mit obszönen Floskeln, die so drastisch waren, daß alle vor Vergnügen schrien. Mit der Zeit hatte sich der Hütteneingang verdunkelt. Die Leute aus dem Dorfe waren erschienen, eben die Gesellschaft unter dem Fikusbaum; die Kasîde war gedämpft zu ihnen herübergeklungen und hatte ihre Neugierde erregt. Nun kamen sie mit ihren Pfeifen, mit Sack und Pack, mit ihren zerlumpten Kindern und breithüftigen Weibern heran und warfen entzückte Blicke durch die Tür.
    »Friede über euch!« schrie, sehr aufgeräumt, Zabal. »Kommt herein, wir haben eine große Schmauserei!«
    »Hast du Geld, Zabal?« flüsterte Umm-Dabbûs. »Das Gewürz ist deine Sache.«
    »Beim Leben deiner Gestalt! Ich bin mittellos.«
    »Ich will dir helfen,« sprach Umm-Dabbûs, »weil du die Kasîde sangst. Im Hühnerstall findest du Geld. Nimm einige Doppelpiaster und hole Myrte, Kirschsteine und Minze. Und, um ein übriges zu tun, hole auch Safran, damit du die Kleider deiner Kinder färben kannst; dann sind sie wie Prinzen unter den Kindern des Dorfes. Und wenn du Dabbûs bei der Sakije triffst, so hole auch ihn, damit er seinen Anteil habe!« – – – Daûds, des Knaben, Augen brannten in ihren Höhlen: Geld! Er sah die Silberlinge durch die Wände leuchten; er sah ihren milden Glanz im Hühnerkot, einen stummen Segen, einen versteckten Wert: einen Reichtum !! Er holte sein schmutziges Hemd aus der Ecke und stellte sich vor, wie es ihm stehen würde, wennman es mit Safran färbe ... Herrlich würde es ihm stehen, er würde nie mehr auf der Sakije reiten, sondern damit umherstolzieren, mitten in der Sonne! Und er würde Neid erregen! Die süße Erwartung rann ihm durch die Glieder; doch dann dachte er, daß Dabbûs, der kleine Affe, ähnlich gelb herumlaufen würde, ähnlich geschmückt; und eine böse Brauenfalte verfinsterte seinen Blick.
    Zabal war verschwunden. Und es war inzwischen keineswegs Abend geworden, sondern es blieb hell wie immer: ein ewiger Traumtag funkelte draußen. Und nun erhob sich ein wüstes Geplärr: viele Hände fuhren gierig in die Fleischbrühe, in die Eingeweide, die dampfenden Saubohnen und den Haferzuber hinein; und Umm-Dabbûs saß mitten darunter, schmatzend und feist, mit glatter Haut und drallen Knien, und hieb die allzu unverschämten Schmauser mit einem handfesten Knüppel über den Kopf. Und Daûd selbst schmauste und balgte sich um das Beste. Er war selig, selig und ganz ohne Wunsch – – –
    Als Daûd erwachte, war eine unstillbare Sehnsucht nach den Doppelpiastern und nach dem gelben Hemd in ihm zurückgeblieben. Wohl möglich, daß diese Dinge schon lange verstohlen in seiner Brust ihr Wesen getrieben hatten; jetzt

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