Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
waren in dieser Umgebung aufgesprungen.
    Meine Empfindungen beim Anblick dieser Regale kann ich nicht beschreiben so intensiv und hartnäckig war das Gefühl alter Bekanntschaft.

    Ich schaute hoch hinauf zu einer Reihe dicht unter der Decke, die völlig außer Reichweite lag; ich fragte mich, wie ich wohl am besten an diese Reihe herankäme. Eine offene Tür in der vierten Reihe von unten würde von Nutzen sein, und die Schlösser der anderen Türen würden Händen und Füßen Halt geben. Ich würde die Taschenlampe zwischen die Zähne nehmen, wie ich es schon an anderen Stellen getan hatte, wo ich beide Hände frei haben mußte, und vor allem durfte ich keinen Lärm machen.

    Es würde schwierig sein, das Buch, das ich herausholen wollte, sicher auf den Boden zu bringen, aber vielleicht konnte ich die bewegliche Verschlußkammer an meinem Jackenkragen einhaken und es wie einen Rucksack tragen. Wieder fragte ich mich, ob das Schloß intakt sein würde.

    Daß ich jeden der vertrauten Handgriffe wiederholen konnte, bezweifelte ich nicht im geringsten. Aber ich hoffte, das Ding würde nicht knarren oder quietschen und nicht zu groß für meine Hand sein.

    Noch während ich das dachte, hatte ich mir die Taschenlampe in den Mund gesteckt und hinaufzuklettern begonnen. Die vorstehenden Schlösser boten nur wenig Halt, aber wie erwartet erwies sich die offene Kammer als große Hilfe. Ich stützte mich gleichzeitig auf die bewegliche Tür und den Rand der Öffnung selbst und konnte so jedes laute Geräusch vermeiden.

    Auf der Oberkante der Tür balancierend und weit nach rechts gelehnt konnte ich das gewünschte Schloß gerade erreichen. Meine Finger, von der Kletterei fast gefühllos, waren zunächst etwas ungelenk, aber ich stellte bald fest, daß ich mit ihnen das Schloß umspannen konnte. Und der Rhythmus der Erinnerung steckte tief in ihnen.

    Aus unermeßlichen Urzeiten hatte die Kenntnis der komplizierten, geheimen Bewegungen irgendwie mein Gehirn korrekt und in jeder Einzelheit erreicht denn nach weniger als fünf Minuten vernahm ich ein Klicken, dessen Vertrautheit mich um so mehr erschreckte, als ich mich nicht bewußt darauf vorbereitet hatte. Im nächsten Augenblick ging die Tür langsam und ganz leise knirschend auf.

    Benommen schaute ich auf die so freigelegte Reihe grauer Behälter und spürte ein völlig undefinierbares Gefühl in mir aufsteigen. Gerade noch in der Reichweite meiner Hand stand ein Behälter, dessen geschwungene Hieroglyphen mich unter einem stechenden Schmerz zusammenzucken ließen; dieser Schmerz war unendlich vielfältiger, als wenn Angst seine einzige Ursache gewesen wäre. Noch immer bebend, gelang es mir, ihn in einer Wolke flockigen Staubs herauszuziehen und ohne ein störendes Geräusch zu mir herüberzuwuchten.

    Wie der andere Behälter, den ich in der Hand gehabt hatte, war auch dieser etwas über zwanzig mal fünfzehn Zoll groß und trug eingeprägte Hieroglyphen. Die Dicke betrug etwas mehr als drei Zoll.

    Ich klemmte ihn mühsam zwischen mich und die Regalfläche, nestelte an dem Verschluß herum und bekam schließlich den Haken frei. Ich öffnete den Deckel, hob den schweren Behälter auf meinen Rücken und befestigte den Haken an meinem Kragen. So bekam ich beide Hände frei, hangelte mich mühsam auf den Fußboden hinab und machte mich daran, meine Beute zu inspizieren.

    In dem sandigen Staub kniend, holte ich den Behälter nach vorne und legte ihn vor mich hin. Meine Hände zitterten, und ich fürchtete mich fast ebensosehr davor, das Buch herauszuziehen, wie ich darauf brannte und mich gezwungen fühlte -, es zu tun. Ganz allmählich war mir klargeworden, was ich finden würde, und diese Erkenntnis ließ mich beinahe erstarren. Wenn das Ding da war und ich nicht träumte -, dann würden die Folgerungen das Fassungsvermögen des menschlichen Geistes übersteigen.

    Am meisten quälte mich, daß ich in diesem Augenblick überhaupt nicht den Eindruck hatte, ich befände mich in einem Traum. Ich hatte vielmehr ein scheußliches Gefühl der Realität und habe es auch jetzt noch, wenn ich an diese Situation zurückdenke.

    Schließlich zog ich zitternd das Buch aus dem Behälter und, schaute fasziniert auf die wohlbekannten Hieroglyphen auf dem Deckel. Es schien völlig unversehrt, und die krummlinigen Buchstaben des Titels übten einen so hypnotischen Zauber auf mich aus, als hätte ich sie lesen können. Fast möchte ich meinen, daß ich sie in einer Anwandlung abnormer

Weitere Kostenlose Bücher