Die Räuber
E. T. A. Hoffmann
DIE RÄUBER
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E. T. A. Hoffmann
DIE RÄUBER
(1821)
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lit era scripta manet
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
(24.01.1776 - 25.06.1822)
. Ausgabe, Dezember 2005
© eBOOK-Bibliothek 2005 für diese Ausgabe
Abenteuer zweier Freunde
auf einem Schlosse in Böhmen
Zwei junge Leute, mögen sie Hartmann und Willibald ge-
nannt werden, hatte von Kindheit auf ein gleicher Sinn ver-
bunden. Beide in Berlin hausend, pflegten, von jugendlicher
Lebenslust beseelt, jedes Jahr wenigstens auf kurze Zeit dem
drückenden Dienstgeschäfte, das sie belastete, zu entfliehen
und gemeinschaftlich irgendeine Reise zu unternehmen.
Wie es den Norddeutschen überhaupt eigen, sehnten sie sich
stets nach dem Süden, und so hatten sie schon das südliche
Deutschland in manchen Richtungen durchstrichen, die
herrliche Rheinfahrt gemacht und die vorzüglichsten Städte
gesehen. Dasmal war es ihnen aber gelungen, das Dienstjoch
abzuschütteln auf längere Zeit als gewöhnlich, und nun sollte
der Plan ausgeführt werden, mit dem sie sich längst herum-
getragen. Italienische Luft wollten sie einatmen, wenigstens
bis Mailand vordringend. Sie wählten den Weg über Dresden,
Prag und Wien nach dem Wunderlande, dessen Erscheinun-
gen so mancher im träumenden Sinn hegt, wie ein buntes ro-
mantisches Märlein.
Das Herz ging ihnen erst recht auf in frischem Lebensmut,
als sie hinaus waren aus dem Tore der Residenz, wie es denn
zu geschehen pflegt, daß wir das schöne Ziel der Reise erst
dann recht lebendig vor Augen erblicken, wenn der Wagen
hinausrollt ins Freie. Alle kleinlichen Sorgen des Lebens lie-
gen hinter uns, vorwärts, vorwärts strebt der fröhliche Sinn,
weit wird die Brust, und wunderbare Ahnungen erwachen,
wenn jauchzender Posthornschall hinausruft in die blaue
Ferne. Glücklich ohne irgendeinen Unfall hatten die Freunde
Prag erreicht, und nun sollt’ es fortgehen in einem Strich Tag
und Nacht bis nach Wien, wo sie einige Tage zu verweilen ge-
dachten. Gleich hinter Prag vernahmen sie dumpfe Gerüchte
von auf offner Straße vorgefallenen Räubereien, ja von einer
Bande, die die Wege unsicher machen sollte. Da sich indes-
sen nicht das mindeste ereignete, das jene Gerüchte bestätigt
haben sollte, so achteten sie nicht weiter darauf. Der Abend
begann schon zu dämmern, als sie nach Sudonieschitz kamen.
Hier riet ihnen der Posthalter, ihre Reise wenigstens auf der
Stelle nicht fortzusetzen, da vor ein paar Tagen das seit vielen
Jahren Unerhörte geschehen. Zwischen Wesseli und Wittin-
gau sei nämlich der Postwagen von Raubgesindel angefallen,
der Postillon erschossen, zwei Passagiere schwer verwundet
und diese sowie der Wagen rein ausgeplündert worden. Schon
sei das Militär, das die waldichte Gegend durchstreifen solle,
in Bewegung, und er, der Posthalter, hoffe andern Tages nä-
here Nachricht zu erhalten, die abzuwarten sie gut tun wür-
den. Willibald zeigte sich geneigt, den Rat des Posthalters
zu befolgen; Hartmann dagegen, der stets gern beherzt und
solche Gefahr nicht achtend erschien, bestand darauf, weiter
zu reisen, da sie noch vor Einbruch der Nacht das nur vier
Stunden entfernte Tabor erreichen könnten, und es überdem
gar nicht denkbar, daß das Raubgesindel, schon vom Militär
verfolgt, den Mut haben solle, bis in diese Gegend vorzudrin-
gen, vielmehr anzunehmen sei, daß es sich in seine Schlupf-
winkel geflüchtet. Als nun Willibald die Pistolen in schußferti-
gen Stand setzte und das Doppelgewehr lud, lachte Hartmann
und meinte, Willibald schicke sich schlecht zur Reise nach
Italien, da solch ein Abenteuer, wie das gefürchtete, dort je-
dem Reisenden begegnet sein müsse, um den wahren Charak-
ter in die Reisebeschreibung zu bringen. Willibald ließ sich
aber gar nicht abhalten, auch Hartmanns Pistolen, die dieser
zwar zu seinem Schutz mitgenommen, aber ungeladen sehr
sorgfältig im Reisekoffer verschlossen, hervorzuholen und
zu laden, indem er seinerseits meinte, daß, reise man Aben-
teuern entgegen, es auch dienlich sei, sich zeitig genug darauf
vorzubereiten, sie zu bestehen.
Immer dunkler und dunkler zogen die Abendwolken auf,
die Freunde waren begriffen im lebhaftesten Gespräch und
dachten an keine Gefahr, als plötzlich ein Schuß fiel und aus
dem dicken Gebüsch einige Kerle von wildem Ansehn spran-
gen, wovon der eine den Pferden in die Zügel fiel, während
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