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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ins Haus zu flüchten. Sie fasste den Kasten fester und hob entschlossen den Kopf.
    Das wäre der Anfang vom Ende. Wenn sie ein einziges Mal der Furcht nachgab, war es um sie geschehen. Dann würde sie zu einem Häuflein Elend schrumpfen und nicht mehr lebenstüchtig sein.
    Lebenstüchtig, dachte sie. Wer denkt sich nur solche Wörter aus?
    Sie öffnete den Kofferraum und stellte den Kasten hinein.  Das Scheppern machte einen höllischen Lärm. So leise wie möglich drückte sie den Kofferraumdeckel wieder zu. Dann fiel ihr ein, dass es gar nicht nötig war, leise zu sein.
    Wenn er hier ist, beobachtet er mich sowieso.
    Die Haut in ihrem Nacken wurde kalt wie Eis. Imke hörte ein Rauschen in den Ohren. Mit dem Rest an Beherrschung öffnete sie die Tür auf der Fahrerseite. Erst dann verließ sie der Mut. Sie warf sich in den Wagen und aktivierte wimmernd die Zentralverriegelung.
    Panikschalter hatte der Verkäufer den Schalter, den sie dazu drücken musste, im Verkaufsgespräch genannt, und Imke hatte den Begriff damals reichlich übertrieben gefunden und milde belächelt. Nun wusste sie, wie er zu seinem Namen gekommen war.
    Sie gab Gas und schoss mit quietschenden Reifen ins Freie, dass die Spatzen, die sich in den Bäumen zusammengerottet hatten, in einer schwarzen Wolke aufstoben.
    Erst auf der Straße bekam Imke sich wieder in den Griff. Es wurde Zeit, dass sie abreiste. So konnte es nicht weitergehen.
    Sie erledigte die Einkäufe mechanisch. Ab und zu wurde sie gegrüßt und lächelte halbherzig zurück. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen, nahm sie sich zum hundertsten Mal vor. Von niemandem. Erst recht nicht von einem, der nicht aus dem Schatten trat.
    Du machst mir keine Angst, dachte sie.
    Und hatte feuchte Hände dabei.
    Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefer schmerzten.
    Mineralwasser. Obst. Gemüse. Kaffee. Tee. Brot. Käse. Aufschnitt. Fisch. Ein paar Tiefkühlprodukte. Das Landleben zwang zur Vorratshaltung, wenn man nicht wegen jeder vergessenen Kleinigkeit kilometerweit fahren wollte.
    Schließlich war alles eingekauft und Imke musste zurück.  In die Stille der alten Mühle, die sie so liebevoll restauriert hatte, an der sie so sehr hing und in der sie all die Jahre so glücklich gewesen war. In die Einsamkeit, die sie unbedingt gewollt hatte.
    Angst um Jette zu haben, war ihr vertraut. Doch nun hatte sie zum ersten Mal Angst um sich selbst. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
    Sie parkte den Wagen zum Entladen vorm Haus. Beeilte sich. Schaute sich nicht um, ein hässliches, banges Gefühl im Nacken. Sie zwang sich zu ruhigen Bewegungen. Nicht rennen, dachte sie, bloß nicht rennen.
    Er soll deine Angst nicht sehen.
    Verdammt. Wie viel hatte sie denn eingekauft? Es wollte und wollte kein Ende nehmen. Eine Tasche, eine Tüte nach der andern hob sie aus dem Kofferraum und schleppte sie ins Haus. Der Moment, in dem sie den Wagen in die Scheune zurückfahren musste, baute sich immer drohender vor ihr auf.
    Ihre Beine gaben nach. Sie konnte sich nicht mehr auf sie verlassen.
    Imke hielt sich so gerade, wie es irgend ging. Sie zwang sich dazu, tief durchzuatmen. Den Blick richtete sie starr auf den Weg oder auf die Haustür.
    Sieh dich nicht um!
    Als sie die letzte Tasche aus dem Kofferraum heben wollte, fingen ihre Hände an zu flattern, und Imke wusste, sie konnte den Wagen nicht in die Scheune bringen, ohne durchzudrehen.
    Nicht rennen!
    Hunde griffen an, sobald man losrannte. Vielleicht war es bei diesem Mann genauso. Möglicherweise konnte sie ihn auf Abstand halten, indem sie Gelassenheit und Selbstbewusstsein ausstrahlte.
    Aber wie? Wo doch alles in ihr auseinanderzubrechen drohte.
    Imke schlug den Kofferraumdeckel zu und der Schlüsselbund glitt ihr aus den Fingern. Mit einem hellen Geräusch landete er im Kies. Imke schaffte es gerade noch, ihn aufzuheben, als die Panik sie überfiel. Sie fing an zu rennen.
    Nachdem sie die Haustür hinter sich zugeschlagen hatte, begann sie zu keuchen. Sie spürte Schweiß auf dem Gesicht. Vielleicht waren es auch Tränen.
    Das Telefon läutete. Imke reagierte nicht. Sie hatte sich in der Küche zwischen die Einkaufstüten auf den Boden gekauert. Immer wieder hallte der Ruf des Telefons von der Halle aus durchs Haus und verlor sich in der Stille, die sich erneut in sämtlichen Winkeln breitgemacht hatte.
    Imke zog die Beine an, legte den Kopf auf die Knie und hielt sich die Ohren zu.
     
    Tilo tat das, womit er sein halbes

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