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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Chef hob einen fleischigen Zeigefinger, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, und wedelte damit in der Luft herum, was ein wenig lächerlich wirkte. »Vergessen Sie das nie, Melzig. Fassen Sie sie mit Samthandschuhen an.«
    Damit war Bert verabschiedet. Draußen auf dem Flur blieb er stehen, um tief Luft zu holen. Gleiches Recht für alle? War er für diese Forderung als junger Mensch nicht sogar auf die Straße gegangen? Gleiches Recht. Reine Illusion. Manche Menschen waren eben doch um einiges gleicher als andere.
    Im nächsten Moment überschwemmte ihn eine Erkenntnis, die ihn fast singen ließ: Er hatte die offizielle Erlaubnis, sich um Imke Thalheim zu kümmern.
     
    Merle machte sich Sorgen um Jette. Seit sie sich mit diesem Luke getroffen hatte, war sie wie ausgewechselt. Ihre Augen sprühten Funken, ihre Bewegungen hatten die typische Leichtigkeit des Verliebtseins, auf ihren Lippen lag dieses nahezu blödsinnige Glückseligkeitsgrinsen und man konnte kein vernünftiges Wort mehr mit ihr reden.
    »Wenn die Hormone sprechen, schweigt der Verstand«, murmelte Merle und schob die wild protestierende Daisy sanft in den Transportkorb. Die Tierärztin hatte sich zum Impfen angemeldet und Merle musste die betreffenden Katzen pünktlich in den Behandlungsraum schaffen.
    Ihr war nicht klar, was genau sie alarmierte.
    »Liebe ist gefährlich«, erklärte sie Pepper und packte ihn entschlossen am Genick, bevor er ihr wieder entwischen konnte. Der Kater wehrte sich mit Zähnen und Krallen, er fauchte, knurrte und spuckte. »Lebensgefährlich«, fuhr Merle unbeeindruckt fort und verschloss den Katzenkorb. »Das muss Jette doch allmählich kapiert haben.«
    Wenn sie sich mit einem Problem herumschlug, dann gab es nichts Besseres als ein Gespräch mit den Tieren. Danach waren die Dinge immer ein bisschen klarer. Manchmal allerdings war es ein steiler Weg bis dorthin.
    »Sie weiß rein gar nichts über diesen Luke. Will sie etwa ein zweites Mal blind in eine Beziehung stolpern, die sie … umbringen kann?«
    Jetzt waren Milky und Honey an der Reihe, ein unzertrennliches Schwesternpaar, das halb verhungert aus der Wohnung eines alten Mannes geholt worden war, der zwei Wochen lang tot in seinem Schlafzimmer gelegen hatte, bevor man ihn entdeckte.
    Milky und Honey waren klapprige alte Damen, ängstlich und still, dankbar für jedes gute Wort und so an ihre albernen Namen gewöhnt (die man von den Nachbarn des alten  Mannes erfahren hatte), dass niemand es übers Herz gebracht hatte, ihnen andere zu geben.
    Honey gurrte leise und rollte sich neben ihrer Schwester im Korb zusammen.
    »Du hast ja recht«, lenkte Merle ein. »Man muss nach vorne gucken und darf sich von den Gespenstern der Vergangenheit nicht auffressen lassen. Aber kann Jette nicht wenigstens ein bisschen vorsichtiger sein?«
    Guter Witz. War sie selbst jemals vorsichtig gewesen? Hatte sie vor ihren ersten Dates etwa einen handgeschriebenen Lebenslauf von den Typen verlangt? War sie nicht mit offenen Augen in die Katastrophe mit Claudio gestolpert? Und hing sie nicht schon viel zu lange in dieser Liebe ohne Ausweg fest?
    Nie würde Claudio sich zu ihr bekennen. Die Verlobte in Sizilien gab es immer noch und er machte nicht einmal mehr einen Hehl daraus. »Ich muss den geeigneten Zeitpunkt abwarten«, sagte er, wenn Merle ihn darauf ansprach. »Dann rede ich mit ihr.«
    Den geeigneten Zeitpunkt gab es nie. Immer musste Claudio auf irgendetwas Rücksicht nehmen. Mal war die Mutter des Mädchens krank, und Claudio konnte die Verlobung nicht guten Gewissens lösen, dann verlor ihr Vater seinen Job, was eine Trennung vorerst unmöglich machte, mal war dies, mal das. Auf alles und jeden nahm dieser ach so zart besaitete Mistkerl Rücksicht, bloß auf Merles Gefühlen trampelte er nach Lust und Laune herum.
    Merle schüttelte die Gedanken ab und schaute sich um. Alle Katzen waren verstaut. Sie nahm die ersten beiden Körbe und machte sich auf den Weg zum Behandlungsraum.
    Heute war die Luft frisch und klar. Der Wind pustete den unverwechselbaren Tierheimgeruch auf die Felder hinaus und jagte lose Grasbüschel über das Gelände. Merle hörte das hysterische Bellen der Hunde und wusste, dass der Wagen der  Ärztin auf den Hof gefahren war. Keine Zeit mehr zum Nachdenken. Jetzt musste alles schnell gehen.
    Merle war dankbar für die Hektik. Vielleicht hing sie ja nur Hirngespinsten nach. Bestimmt sogar. Warum sollte Jette in Gefahr sein, bloß weil sie sich endlich

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