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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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nicht mit einem mir völlig Fremden und seinen Psychosen beschäftigen, bloß weil er es auf mich abgesehen hat.«
    Genau das wirst du aber tun müssen, dachte Bert. Weglaufen wird dir nichts nützen.
    »Es ist keine Flucht«, fuhr sie fort, als wollte sie seinen Gedanken widersprechen. »Ich brauche nur ein bisschen Abstand. Ich werde mich von den abartigen Phantasien dieses … Mannes nicht einfach so überrollen lassen.«
    Damit provozierst du ihn, dachte Bert.
    »Keine Ahnung, wie er darauf reagiert«, sagte sie, und Bert fragte sich allmählich, ob sie seine Gedanken tatsächlich hören konnte. »Vielleicht vergisst er mich. Hoffentlich. Und wendet sich einer anderen zu.«
    »Nun …«, begann Bert, doch sie unterbrach ihn sofort.
    »So habe ich das nicht gemeint. Nein. Nein! Ich will doch nicht, dass er einer andern … Bitte, glauben Sie mir, das habe ich nicht gemeint.«
    Bert hörte Tränen in ihrer Stimme. Er hätte wer weiß was darum gegeben, bei ihr sein und sie in die Arme nehmen zu können. Seinen Gefühlen war einfach nicht beizubringen, dass es Grenzen gab, die er nicht überschreiten durfte.
    »Dieser Mann hat nicht das Recht, in mein Leben einzudringen! Er hat nicht das Recht, sich mir aufzudrängen! Ich  habe in meinem ganzen Leben keine Angst gekannt, außer der um meine Tochter, aber inzwischen erschrecke ich vor meinem eigenen Schatten.«
    »Das ist es doch, was er will«, sagte Bert. »Dass Sie sich vor ihm fürchten.«
    Er war sich keinesfalls sicher, dass er damit recht hatte. Man konnte Menschen nicht über einen Kamm scheren, auch und vor allem Psychopathen nicht. Möglicherweise wollte dieser Mann etwas ganz anderes. Vielleicht nur Aufmerksamkeit. Vielleicht die Liebe einer prominenten Frau.
    Oder aber ihr Leben …
    »Können Sie sich überhaupt vorstellen«, fauchte sie, »wie das ist, bis ins Mark zu erschrecken, bloß weil ein Mann vor Ihnen auf dem Gehweg plötzlich stehen bleibt, um sich eine Zigarette anzuzünden? In Panik zu geraten, weil man in einer Tiefgarage Schritte hört? Hat es Sie jemals geschaudert, weil ein fremder Briefträger mit der Post vor Ihrer Tür stand?«
    Bert konnte sich das sehr gut vorstellen, und er wünschte, er könnte sie vor diesen Ängsten beschützen.
    »Entschuldigung.« Ihre Stimme klang auf einmal beschämt. »Was rede ich denn da? Ohne die Fähigkeit, sich in Menschen und Situationen zu versetzen, könnten Sie Ihren Beruf ja überhaupt nicht ausüben.«
    Oh doch. Bert kannte durchaus Kollegen, die ihren Job ohne jede Spur von Einfühlungsvermögen ausübten. Er hatte sogar den Eindruck, dass ihnen das nicht einmal schadete. Meistens waren es gerade diese Typen, die ohne Verzögerung auf der Karriereleiter nach oben kletterten.
    »Sind Sie noch da?«
    »Ja. Und Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe Sie.«
    In dem Schweigen, das folgte, hörte er ihren Atem. Und plötzlich dachte er daran, dass möglicherweise noch jemand  anders ihn hören konnte. Seine Kopfhaut schien sich zusammenzuziehen.
    »Ich würde gern bei Ihnen vorbeikommen«, sagte er leise. »Wann wäre es Ihnen recht?«
     
    Es gab Tage, an denen lief alles verkehrt. Dies war so ein Tag. Manuel ging seinen Kollegen aus dem Weg. Er stand kurz vor einer Explosion, da zog er sich besser selbst aus dem Verkehr.
    Schon als Kind hatte er sich mit seinen Wutanfällen Respekt verschafft. Keiner war ihm in solchen Momenten zu nahe gekommen, keiner hatte gewagt, ihn anzugreifen. Er hatte das Zeug zu einem Leitwolf gehabt. Damals wollte jeder mit ihm befreundet sein.
    Doch Manuel war wählerisch gewesen. Lieber Einsamkeit als Kompromisse. Lieber bastelte er an seinem Fahrrad, später an seinem Mofa und schließlich an seinem Motorrad herum, als die Zeit mit Langweilern totzuschlagen. Er war in einem kleinen, trüben Ort aufgewachsen. Es hatte nicht viele Möglichkeiten gegeben, sich zu amüsieren.
    Meistens hatten die jungen Leute vor der Eisdiele auf dem Marktplatz herumgehangen. Sie hatten geredet, die ersten Zigaretten geraucht, das erste Bier getrunken. Manuel hatte ein paarmal mitgemacht, dann hatte es ihn angeödet und er war nicht mehr hingegangen.
    Seine Leidenschaft waren Maschinen gewesen. Er hatte entsorgte Elektrogeräte aus dem Abfall gefischt, sie auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, hatte die verrücktesten Gebilde gebaut. In seinem Zimmer hatte es geblinkt, gerattert und gequalmt. Ab und zu hatte er kleinere Brände löschen müssen, einmal war sogar

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