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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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mir lieber deine Geheimnisse.«
    Meine Geheimnisse. Dazu war es doch noch viel zu früh.
    Ich erzählte ihm von Merle und davon, wie der Plan in uns gereift war, unsere WG zu vergrößern. Ich erzählte von Ilka und Mike, von Mina und von unseren Katzen. Ich beschrieb ihm, wie wir den Garten unseres Bauernhauses bepflanzen wollten und in welchen Farben wir die Zimmer streichen würden.
    Aber von Caro erzählte ich nicht. Nicht von ihrer Freundschaft mit Merle und mir, nicht von ihrem Tod, nicht von ihrem Mörder, und erst recht nicht davon, was er mir bedeutet hatte.
    Luke hörte mir zu. Er betrachtete mich mit einem Ernst, der mich erschreckte.
    Was wollte er von mir?
    Unsere Schritte hallten in den nächtlichen Straßen. Es hatte angefangen zu nieseln, ein feiner Regen, der auf den Wangen prickelte. Wir hatten miteinander geschwiegen und miteinander geredet und schwiegen nun wieder.
    Lukes Gesicht schimmerte im Licht der Straßenbeleuchtung wie Porzellan. Niemals hätte ich den Mut gehabt, es zu berühren, aus Angst, es könnte mir unter den Händen zersplittern.
    Doch Luke hatte diese Angst nicht. Er fürchtete sich auch nicht davor, den Zauber zu brechen, der über den Häusern lag, über den leeren Straßen und über uns beiden. Er beugte sich zu mir herunter, zog mich sanft an sich und legte seine Wange an meine.
    Sie war kalt. Und feucht vom Regendunst.
    Wir blieben so, Wange an Wange. In mir zerschmolz etwas und sank dann in mir nieder. Und ich wusste, ich hatte mich verliebt.
     
    Tilo hörte Imke das Schlafzimmer betreten, obwohl sie sich alle Mühe gab, keinen Lärm zu machen. Er hörte verwundert, wie sie leise von innen die Tür abschloss, hörte das Tapsen ihrer nackten Füße auf dem Parkett, hörte ihre Kleider rascheln, und obwohl sie beinahe geräuschlos zu ihm ins Bett schlüpfte, hörte er ihre Angst. Sie atmete flach und viel zu schnell.
    Er berührte sie an der Schulter.
    »Schlaf weiter«, flüsterte sie.
    Er machte das Licht an, und sie knipste es rasch wieder aus.
    Das verriet ihm, vor wem sie sich fürchtete und warum sie abgeschlossen hatte.
    Er setzte sich auf und wurde von einem Schwindelanfall zurückgeworfen. Ein stechender Schmerz schoss ihm in den Kopf. Stöhnend biss er die Zähne zusammen.
    Imkes Atem strich über sein Gesicht. »Alles in Ordnung?«
    Nichts war in Ordnung und das war ihnen beiden klar. Imke wurde von einem Psychopathen verfolgt, die Angst brachte sie beinah um den Verstand, und er lag hier herum, unnütz, ein Klotz am Bein.
    »Hat er sich wieder gemeldet?«, fragte er, als die Schmerzen in seinem Schädel endlich nachgelassen hatten.
    »Er hat mir eine Mail geschickt.«
    »Aber dann«, fast wäre er wieder hochgefahren, diesmal vor Erleichterung, »dann kann die Polizei ihn doch ausfindig machen.«
    »Er wird nicht so unvorsichtig gewesen sein, diese Mail von seinem eigenen Rechner aus abzuschicken.«
    Sie hatte natürlich recht. Tilo wusste, wie überragend die Intelligenz psychopathischer Menschen sein konnte. Einige seiner Patienten demonstrierten ihm das tagtäglich. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie sich die ganze Zeit mit gedämpfter Stimme unterhielten. Als ob …
    »Er ist hier!«
    »Pschsch!« Imke drückte ihn mit sanfter Gewalt ins Kissen zurück. »Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um den Helden zu spielen«, raunte sie. »Außerdem glaube ich, dass er schon wieder weg ist. Ich hab ihn hinten bei der … Scheune gesehen.«
    Es tat Tilo in der Seele weh, zu hören, wie ihr die Stimme versagte. Im Dämmerlicht sah er, dass sie nach Luft rang. Er sah auch, dass sie sich nicht ausgezogen hatte, sondern noch die Sachen trug, die sie tagsüber angehabt hatte. Sie war außer sich vor Angst. Und doch ließ sie nicht zu, dass er aufstand.
    »Dann ruf den Kommissar an.« Er sah ein, dass er ihr in seinem derzeitigen Zustand keine Hilfe sein konnte. Dieser Typ da draußen in der Nacht brauchte ihn nur einmal kräftig anzuhusten, um ihn außer Gefecht zu setzen. Und war die Polizei nicht für solche Fälle da?
    Doch um anrufen zu können, hätte Imke erst das Telefon holen müssen. Sie hätte das Zimmer verlassen, die Treppe hinunter und durch das dunkle Haus gehen müssen - was verlangte er da von ihr?
    »Bitte …« Sie schmiegte sich an ihn. »Lass mich einfach hier bei dir sein. Er … er ist ziemlich abgedreht, ich weiß, aber er wird es nicht wagen, ins Haus einzudringen.«
    Nicht wagen? Tilo mochte sich nicht ausmalen, zu was ein solcher Mensch fähig war.

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