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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Wachhund mit kräftigen Zähnen wäre mir lieber«, sagte er, als er ihm die Jacke abnahm. »Und glauben Sie mir - keinen erschrecken solche Gedanken mehr als mich selbst.«
    Das war für Bert nicht neu. Die Konfrontation mit Gewalt erzeugte in Menschen oft eine ungeahnte eigene Bereitschaft zur Gewalt. Selbst eingeschworene Pazifisten verwahrten plötzlich Pfefferspray oder ein Messer unter ihrem Kopfkissen.
    Bert wusste, dass ein Rottweiler, eine Dogge oder ein Dobermann lediglich beruhigten. Ein zuverlässiger Schutz waren sie nicht. Er hätte Imke Thalheim lieber eine Kollegin oder einen Kollegen zur Seite gestellt, rund um die Uhr. Doch daran war nicht zu denken.
    Er folgte Tilo Baumgart in den Wintergarten, wo Imke Thalheim damit beschäftigt war, Bücher in einem Trolley zu verstauen. Sie kam ihm mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Ihre Hand fühlte sich kühl an und schmaler, als Bert sie in Erinnerung hatte. Prüfend musterte er ihr Gesicht.
    »Mir geht’s gut«, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage. »Ich lasse mich nicht einschüchtern, erst recht nicht von so einem.«
    Eine glatte Lüge. Die Schatten unter ihren Augen verrieten die Wahrheit. Sie erzählten von Schlafmangel, schlechten Träumen und Angst.
    »Ist es nicht eine fabelhafte Idee, für eine Weile zu verschwinden?«
    Hatte jemand, der sich nicht einschüchtern ließ, das Bedürfnis, zu verschwinden? Offenbar spürte sie seine Skepsis, denn  sie wurde rot. Sie lenkte ab, indem sie zum Tisch wies, auf dem ein kleiner Imbiss vorbereitet war. »Essen Sie einen Happen mit uns?«
    »Es war nicht einfach, sie zu dieser Reise zu bewegen«, plauderte Tilo Baumgart aus dem Nähkästchen, als Imke Thalheim in der Küche war, um den Tee zu holen. »Wenn nicht sowieso gerade Recherchen angestanden hätten, wäre es mir wohl nicht gelungen.«
    Bert erkannte die Besorgnis in Tilos Augen. Er nahm wahr, wie grau und müde die Haut dieses Mannes wirkte. Fast hätte er ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihm versprochen, Imke werde nichts zustoßen.
    Doch das konnte er nicht.
    »Ich hätte gern die Anschrift Ihrer Unterkunft«, sagte er, als auch Imke am Tisch Platz genommen hatte. »Und ich möchte, dass wir telefonisch in Kontakt bleiben.«
    »Selbstverständlich.«
    Imke nötigte ihn zuzugreifen. Sie selbst aß mit gutem Appetit. Doch Bert ließ sich nicht täuschen. Ihr Schutzpanzer zeigte bereits erste Risse.
    »Wie hat Ihre Tochter reagiert?«, fragte er.
    »Gar nicht«, antwortete Tilo prompt. »Sie weiß nichts von den Vorfällen.«
    »Sie haben sie nicht eingeweiht?« Verblüfft ließ Bert die Gabel sinken.
    »Eingeweiht!« Imke ließ ein kleines, abfälliges Lachen hören. »Das klingt ja nach ganz großem Geheimnis.«
    »Du machst schließlich eins daraus.«
    Der warnende Blick, den Imke Tilo zuwarf, verfehlte seine Wirkung. Tilo gab ihn ungerührt zurück.
    »Ich mache kein Geheimnis daraus. Ich möchte meine Tochter nur nicht mit den Spinnereien eines Mannes belasten, der schon morgen keine Rolle mehr für mich spielen wird.«
    »Du bagatellisierst die Geschichte, Ike.«
    Der Kosename ging Bert durch und durch. Er machte ihm mit brutaler Deutlichkeit bewusst, dass Tilo Baumgart der Mann an der Seite Imke Thalheims war. Zwischen den beiden bestand eine Vertrautheit, die man fast mit Händen greifen konnte.
    »Selbst wenn.« Imke funkelte Tilo zornig an. »Es ist meine  Geschichte, nicht deine.«
    »Bitte …« Tilo hob die Hände. »Mach, was du willst. Aber versuch nicht, mir einzureden, die Vorfälle seien harmlos. Sie sind es nicht.«
    »Herr Baumgart hat recht«, mischte Bert sich ein. »Dieser Mann ist gefährlich. Sie dürfen ihn nicht unterschätzen. Und es gibt einige Regeln, die Sie unbedingt befolgen sollten.«
    »Nämlich?« Ihre Stimme klang spitz.
    »Machen Sie, darüber haben wir ja schon gesprochen, vor allem kein Geheimnis aus dem, was Ihnen zustößt. Er will Sie ja genau da haben, in dem Gefängnis aus Angst und Schweigen, das er um Sie herum aufzubauen versucht. Weihen Sie Ihre Umgebung ein, die Dorfbewohner, die Familie, die Freunde. Damit nehmen Sie Ihrem Verfolger einen Teil seiner Macht über Sie. Es ist der erste Schritt.«
    »Dieser Mann hat keine Macht über mich!«
    Ihr Zorn richtete sich jetzt gegen Bert. Er erlebte das oft. Solche Übertragungen fanden statt, weil das wirkliche Objekt der Wut nicht greifbar war.
    »Keine Macht über dich?« Tilo wischte sich den Mund und warf die Serviette auf seinen

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