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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Mann und deutete neben sich. »Seht ihr ihn denn nicht?«
    »Doch, gewiß. Verzeihung! Mein Kompliment für deinen diensthabenden Offizier.«
    Tenaka ritt durch den Torbogen und stieg ab. Der alte Mann humpelte auf ihn zu. Er sah aus wie mindestens achtzig; sein Haar war dünn und strähnig und klebte wie Nebel an dem gelben Schädel. Sein Gesicht war eingefallen, und unter seinen wäßrigen Augen zeigten sich blaue Schatten.
    »Keine falsche Bewegung«, warnte er. »Seht zu den Wehrgängen hinauf. Da stehen Bogenschützen, die jeden eurer Schritte beobachten.« Tenaka sah hinauf - die Brüstungen waren leer bis auf einige schlafende Tauben.
    »Sehr wirkungsvoll«, sagte er. »Gibt es hier etwas zu essen?«
    »O ja. Für die, die hier willkommen sind.«
    »Sind wir willkommen?«
    »Der Gan sagt, du siehst aus wie ein Nadir.«
    »Das bin ich auch. Aber ich habe die Ehre, in der Armee der Drenai zu dienen. Ich bin Tenaka Khan vom Drachen. Würdest du mich dem Gan vorstellen?«
    »Es sind zwei Gans«, erklärte der alte Mann. »Das hier ist Gan Orrin - er ist der erste Gan. Ho-gun ist unser Kundschafter.«
    Tenaka verbeugte sich tief. »Ich habe schon von Gan Orrin gehört. Mein Kompliment für die Verteidigung von Dros Delnoch.«
    »Der Gan sagt, ihr seid willkommen und könnt ihn in seinem Quartier aufsuchen. Ich bin sein Adjutant. Ich heiße Ciall - Dun Ciall.«
    Der alte Mann legte seinen zerbrochenen Speer beiseite und schlenderte davon zu der dunklen Inneren Festung. Tenaka löste den Sattelgurt, damit sein Pferd umherstreifen und Gras suchen konnte. Renya tat es ihm nach; dann folgten sie Dun Ciall.
    »Es ist verrückt!« sagte Renya. »Hier ist keine Menschenseele.«
    »Er scheint aber harmlos zu sein. Vor allem hat er etwas zu essen. Ich will mit unseren Vorräten so gut haushalten wie nur möglich. Hör zu - der
    Mann redet von den ursprünglichen Gans von Dros Delnoch, als mein Ahnherr gegen Ulric kämpfte. Orrin und Hogun waren die Befehlshaber, ehe Rek zum Bronzegrafen wurde. Laß dem Alten seinen Sparren - aus Freundlichkeit.«
    Im Quartier des Gan hatte Ciall einen Tisch für drei Personen gedeckt. Ein Krug mit rotem Wein stand in der Mitte, und in einem Kessel über dem Feuer schmorte ein Eintopf. Mit zitternden Händen füllte der alte Mann ihre Teller, sprach ein Gebet zur Quelle und griff nach seinem Holzlöffel. Tena-ka probierte den Eintopf. Er war bitter, schmeckte aber nicht schlecht.
    »Sie sind alle tot«, sagte Ciall. »Ich bin nicht verrückt. Ich weiß, daß sie tot sind. Aber sie sind trotzdem hier.«
    »Wenn du sie siehst, dann sind sie auch hier«, sagte Renya.
    »Verkaufe mich nicht für dumm, Frau! Ich sehe sie, und sie erzählen mir Geschichten, wunderbare Geschichten. Sie haben mir vergeben. Die Menschen nicht, aber Geister sind besser als Menschen. Sie wissen mehr. Sie wissen, daß ein Mann nicht immer stark sein kann. Sie wissen, daß es Zeiten gibt, in denen man nichts anderes tun kann als davonzulaufen. Sie haben mir vergeben - gesagt, ich könnte Soldat sein. Sie vertrauen mir, daß ich mich um die Festung kümmere.«
    Plötzlich stöhnte Ciall und griff sich an die Seite. Renya sah, daß Blut durch das rostige Kettenhemd auf die Holzbank floß.
    »Du bist verletzt«, sagte sie.
    »Es ist nichts. Ich spüre gar nichts. Ich bin jetzt ein guter Soldat - das sagen sie mir.«
    »Zieh dein Kettenhemd aus«, sagte Tenaka sanft.
    »Nein. Ich bin im Dienst.«
    »Zieh es aus, habe ich gesagt«, donnerte Tenaka. »Bin ich nicht Gan? Solange ich hier bin, dulde ich keine Disziplinlosigkeit.«
    »Jawohl, Gan«, sagte Ciall und fummelte an den uralten Riemen herum. Renya trat hinzu, um ihm zu helfen, und langsam konnten sie das Kettenhemd lösen. Der alte Mann gab keinen Laut von sich.
    Sein Rücken war von Peitschenhieben aufgerissen. Renya durchsuchte Schränke und Läden, bis sie ein altes Hemd fand. »Ich brauche Wasser«, sagte sie.
    »Wer hat das getan, Ciall?« fragte Tenaka.
    »Reiter … gestern. Sie suchten jemanden.« Die Augen des alten Mannes funkelten. »Sie suchten nach dir, Nadirfürst.«
    »Das glaube ich auch.«
    Renya kam mit einer randvoll mit Wasser gefüllten Kupferschale zurück. Behutsam wusch sie den Rücken des alten Mannes; dann riß sie das Hemd in Streifen, um die schlimmsten Wunden zu verbinden.
    »Warum haben sie dich ausgepeitscht? Glaubten sie, du wüßtest, wo ich bin?«
    »Nein«, antwortete Ciall traurig. »Ich glaube, es hat ihnen einfach Spaß gemacht. Die

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