Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz im Silbersee

Der Schatz im Silbersee

Titel: Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nächste Umgebung der Blockhütte hinaus. Am vierten Morgen waren die Rationen alle geworden, und ich ging also mit dem einen Sohn, um Fleisch zu machen. Natürlich sahen wir uns vor, aber es war keine Spur von den Rafters zu bemerken. Als wir uns dann langsam und leise durch den Wald pürschten, vielleicht zwanzig Schritte voneinander entfernt, sah ich plötzlich den Anführer von ihnen hinter einem Baum stehen.
    Er erblickte nicht mich, sondern meinen Sohn und legte das Gewehr auf ihn an. Hätte ich den Kerl augenblicklich niedergeschossen, wie es mein gutes Recht und sogar meine Pflicht war, so wäre ich gewiß nicht kinderlos und Witwer geworden. Aber es ist nie meine Passion gewesen, ohne Not ein Menschenkind zu töten, und so sprang ich nur schnell hinzu, riß ihm die Flinte aus der Hand, das Messer und das Pistol aus dem Gürtel und gab ihm einen Hieb in das Gesicht, daß er zu Boden stürzte. Er verlor seine Geistesgegenwart keinen Augenblick, war vielmehr noch schneller als ich. Im Nu hatte er sich aufgerafft und sprang davon, ehe ich nur eine Hand nach ihm ausstrecken konnte.«
    »Alle Teufel! Diese Dummheit hast du nachher büßen müssen!« rief einer.
    »Es ist ausgemacht, daß der Mann diesen Schlag später gerächt hat.«
    »Ja, er hat ihn gerächt,« nickte der Alte, indem er aufstand, um einigemal auf und ab zu schreiten. Die Erinnerung regte ihn auf.
    Dann setzte er sich wieder nieder und fuhr fort: »Wir hatten Glück und machten eine gute Jagd. Als wir heimkehrten, ging ich hinter das Haus, um dort die Beute einstweilen abzulegen.
    Es war mir, als ob ich einen erschrockenen Ruf meines Sohnes hörte, aber ich achtete leider nicht darauf. Beim Eintritte in die Stube sah ich meine Leute gebunden und geknebelt am Herde liegen, und zu gleicher Zeit wurde ich gepackt und niedergerissen. Die Rafters waren während unsrer Abwesenheit nach der Farm gekommen und hatten meine Frau und den jüngeren Sohn überwältigt, um dann auch auf uns zu warten.
    Als der älteste Sohn dann vor mir kam, hatten sie sich so schnell über ihn gemacht, daß ihm kaum Zeit zu dem erwähnten Warnungsrufe geblieben war. Mir erging es nicht schlimmer und nicht besser als den andern. Es kam so überraschend und ging so schnell, daß ich gebunden war, ehe ich an Gegenwehr denken konnte; dann stopfte man auch mir irgend einen Zeugfetzen in den Mund, damit ich nicht schreien könne.«
    »Bist selber schuld daran! Warum warst du nicht vorsichtiger!
    Wer sich mit Rafters verfeindet und überdies einen von ihnen geschlagen hat, muß sich vorsehen.«
    »Ist wahr. Aber ich hatte damals meine jetzigen Erfahrungen noch nicht. Töteten Rafters mir heut eine Kuh, so schösse ich die Kerls einzeln weg, ohne mich von ihnen sehen zu lassen.
    Doch weiter! Ich will es kurz machen, denn was nun kommt, kann mit Worten nicht geschildert werden. Es wurde Gericht gehalten; daß ich geschossen hatte, wurde mir als todeswürdiges Verbrechen ausgelegt. Die Halunken hatten sich übrigens über meinen Brandy hergemacht; sie tranken sich einen solchen Rausch an, daß sie nicht mehr Menschen, auch nicht Tiere waren, sondern zur Bestie wurden. Sie beschlossen, uns sterben zu lassen. Als Extrastrafe für den Schlag, den der Anführer von mir erhalten hatte, verlangte er, daß auch wir geschlagen, das heißt tot gepeitscht werden sollten. Zwei stimmten ihm bei, drei waren dagegen; er setzte es aber durch.
    Wir wurden hinaus an die Fenz geschafft. Die Frau kam zuerst daran. Man band sie fest und schlug mit Knütteln auf sie los.
    Einer fühlte doch eine Art von Mitleid mit ihr und gab ihr eine Kugel in den Kopf. Den Söhnen erging es schlimmer als ihr, sie wurden buchstäblich totgeprügelt. Ich lag dabei und mußte es mit ansehen, denn ich sollte der letzte sein. Leute, ich sage euch, daß jene Viertelstunde mir zur Ewigkeit geworden ist. Es kann mir nicht einfallen, zu versuchen, euch meine Gedanken und Gefühle zu beschreiben. Die Worte Wut und Grimm sagen gar nichts, es gibt eben kein passendes Wort. Ich war wie wahnsinnig und konnte mich doch nicht rühren, nicht bewegen.
    Also endlich kam ich an die Reihe. Ich wurde aufgerichtet und angebunden. Die Schläge, welche ich nun erhielt, habe ich nicht gefühlt. Meine Seele befand sich in einem Zustande, in welchem sie auf die körperlichen Schmerzen gar nicht achthaben konnte. Ich weiß nur, daß plötzlich vom Maisfelde her ein lauter Ruf erscholl und daß, als dieser von den Rafters nicht augenblicklich

Weitere Kostenlose Bücher