Tessa
Er lehnt trostlos im Türrahmen. Ein Lächeln huscht über Tessas Gesicht. Er ist doch gekommen. Sie lässt ihn eintreten, versucht, sich auf ihn einzustellen. Nicht mit den Gedanken rasen, konzentriert sein, zuhören. Nur Zuhören, das sollte nicht so schwer sein. Er geht direkt in ihr Schlafzimmer, in das nur ein Bett, ein kleiner Fernseher und die Kleiderstange passen. Auf dem wenigen Fußboden liegen unzählige Kleidungsstücke, leere Zigarettenschachteln, CD-Hüllen und benutzte Taschentücher, zusammengeknüllt und wie nutzlose Puppen achtlos weggeschmissen. Ein Aschenbecher ist umgekippt, und die Zigarettenstummel liegen in ihrer Asche um die Nachttischlampe verteilt. Staubflusen fliegen schwerelos umher. Die letzten Strahlen der Abendsonne kämpfen sich durch die gelblich-grauen Spitzengardinen und tauchen den Raum in ein warmes Licht.
Nick stört das Chaos nicht, ohne es weiter zu beachten, bewegt er sich auf das Bett zu.
Tessa schreit entsetzt auf: »Nicht auf meine weiße Anzughose treten!«
Sein Blick geht nach unten. »Oh, das tut mir leid.« Er schiebt mit seinen Schuhspitzen ein paar Kleider zur Seite und setzt sich auf die Bettkante. Mit seinen Händen streift er sich das etwas zu lang gewordene dunkle Haar aus dem Gesicht. Er lockert die Schnürsenkel, legt sich auf den Rücken, verschränkt die Arme hinter dem Kopf, schließt kurz die Augen und schaut dann zur Decke, seine Stirn in Falten gelegt.
Tessa ist damit beschäftigt, ihre weiße Hose eingehend zu untersuchen, überlegt, ob sie in die Wäsche soll, doch entscheidet sich dagegen, sucht einen Bügel und hängt sie ordentlich auf. Sie dreht sich zu ihm um und lächelt wieder, sie ist froh, dass er gekommen ist. Sie hatte schon Angst, er würde nie wiederkommen. Leise holt sie Luft, sie will jetzt nichts falsch machen. Sie legt sich zu ihm und schmiegt sich an ihn, atmet gierig seinen vertrauten Geruch ein. Ihr Kopf ist durch den Weißwein schon leicht und angenehm vernebelt. Nur nichts Falsches denken, nein, sie muss sich darauf konzentrieren, jetzt für ihn da zu sein, ihm geht es nicht gut. Wenn sie bloß wüsste, was es ist. Nein, aufhören mit den Mutmaßungen, das führt zu nichts. Er wird schon anfangen zu reden, wenn sie ihn nicht drängt. Geduld, einfach geduldig sein. Vielleicht ist er auch immer noch sauer auf sie? Aber jetzt bloß nicht wieder anfangen wie letzte Nacht, böse Vermutungen in den Raum zu werfen. Er sagt, es gebe keine andere Frau. Das führt ja zu nichts. Er würde es ja doch nicht zugeben. Und sie hat keine Beweise. Nur dieses Gefühl. Warum sagt er jetzt aber auch nichts? Der Streit war hässlich gewesen, und sie hatte geweint, sich hoffnungslos gefühlt. Bitte nicht wieder dasselbe durchmachen. Schnell an was anderes denken. Aber er hat ja auch dazu beigetragen, mit seiner Verschwiegenheit. Und wenn er nichts sagt, kann sie nicht einfach nur zuhören. Warum müssen Beziehungen auch immer so anstrengend werden? Seine Aufmerksamkeit ihr gegenüber hat nachgelassen, eigentlich interessiert er sich überhaupt nicht mehr für sie. Keine netten Worte. Jetzt liegt er auch nur hier im Bett neben ihr und sagt nichts, fragt nichts. Sie sind jetzt fast ein Jahr zusammen. Hatten sie nicht immer viel gelacht? Wie lange ist das her? Tessa starrt Nick von der Seite an. Nein, nach Spaß sieht der Abend nicht aus. Vielleicht sollte sie was sagen? Tessa richtet sich auf, setzt sich hin, lächelt ihn an. »Möchtest du vielleicht etwas trinken? Ein Glas Wein? Ich habe eine angefangene Flasche im Kühlschrank.«
Nick sieht sie an, seine Augen auf sie gerichtet, das erste Mal an diesem Abend. Er überlegt kurz. »Ich habe eher Hunger.«
Sie lächelt, eine einfache Aufgabe, das kriegt sie hin. »Ich kann dir Spiegeleier braten, ja?«
»Das wäre toll.«
Sie springt aus dem Bett, ist erleichtert, etwas zu tun zu haben, und geht in die Küche, wo sie nach ihrem leeren Glas greift, das sie auf dem Esstisch stehen gelassen hat. Aus dem Kühlschrank nimmt sie sich die Flasche Weißwein, gießt das Glas voll und trinkt, während sie zum Fenster geht. Sie zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen Zug und starrt hinaus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht sie die verlotterte Nachbarin mit einer Plastiktüte in der Hand, die sich leicht wankend von ihrem verfetteten Hund an der Leine ziehen lässt. Angeekelt wendet sie sich ab. Sie erinnert sich wieder an Nick und nimmt ein zweites Glas aus dem Schrank. Sie schenkt
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