Der Schatz von Blackhope Hall
ein Experiment wagen."
Stephen rückte seiner Mutter den Stuhl zur Linken des Mediums zurecht. "Soll ich mich an deine andere Seite setzen, Mutter?"
"Oh nein, Mylord", mischte sich Irina hastig ein. "Ihre Skepsis würde Mama in ihrer Konzentration stören und die Geister fern halten."
Widerspruchslos ging er um den Tisch herum, zu seinem gewohnten Platz. "Lassen wir ein bisschen Licht brennen? Wenn ich so weit weg von Madame sitze, sehe ich sie nicht."
"Die Geister lieben die Dunkelheit", betonte die Russin.
"Wirklich? Muss es denn stockfinster sein?"
"Ein schwaches Licht würde sicher nicht schaden", meinte Olivia. "Vielleicht eine Kerze? Sie müsste nicht einmal auf dem Tisch stehen. Stellen wir sie da drüben hin." Sie trug einen Kandelaber zu einer kleinen Kommode neben dem Sofa, die beiseite gerückt worden war, um für den Séance-Tisch Platz zu machen. "Dann hätten wir es bequemer, wenn uns die Geister verlassen haben. Wir müssten nicht in der Dunkelheit nach der Lampe tasten, um sie zu entzünden."
"Gewiss, das klingt vernünftig", stimmte Lady St. Leger zu.
"Ob es den Geistern gefallen wird, weiß ich nicht", mischte sich Mr. Babington ein. "Vermutlich werden sie nicht erscheinen. Das habe ich oft genug erlebt, wenn es zu hell in einem Zimmer war."
"Versuchen wir's wenigstens", schlug Olivia vor.
"Oh ja", flehte Belinda. "Nach allem, was gestern Abend geschehen ist, würde ich mich in der Finsternis sehr unbehaglich fühlen."
"Natürlich, Liebes." Lady St. Leger lächelte ihre Tochter teilnahmsvoll an. "Das verstehe ich. Bitte, Madame, gestatten Sie uns ein bisschen Licht. Belinda und Lady Olivia haben einiges durchgemacht. Wenn es nicht völlig dunkel ist, wäre es viel angenehmer für die beiden."
"Wie Sie wünschen, Mylady." Madame Valenskaya lächelte gezwungen und gab sich geschlagen.
Da Olivia fürchtete, man würde ihre Genugtuung bemerken, schaute sie Stephen nicht an. Welch ein Glück, dass Belinda ihre Angst vor den nächtlichen Schatten bekundet und ihre Mutter veranlasst hatte, die Russin um eine schwache Beleuchtung zu ersuchen … Diese Bitte konnte das Medium seiner großzügigen Gönnerin nicht abschlagen, obwohl die neue Sitzordnung und das Licht die Anwendung der Tricks erschweren oder sogar verhindern würden.
Sie setzten sich alle, und die Tischlampe wurde gelöscht. Nur die Kerze auf der Kommode verbreitete einen schwachen Lichtschein. Aufmerksam beobachtete Olivia das Medium. Madame Valenskaya schien sich zu entspannen, senkte den Kopf und hob ihn wieder. "Hier sind viele Geister", verkündete sie mit leiser Stimme, ohne den üblichen russischen Akzent.
An diesem Abend erklang keine Musik, keine geisterhaften Hände bewegten sich über dem Medium. Olivia nahm an, dass Madame Valenskaya auf solche Finessen verzichtete, weil sie an Lady Eleanors Seite und im Kerzenlicht kein Risiko eingehen wollte.
"Bist du da, Roddy?" fragte die Countess-Witwe.
"Ja, Mama. Heute Abend bin ich hierher gekommen. Aber ich … es ist schwierig, wegen des Lichts …" Madame Valenskaya verstummte kurz und seufzte tief auf. "Werde ich jemals Ruhe finden? In diesen Mauern kann keiner von uns rasten. So viele Seelen irren durch Blackhope. Es ist sehr düster. Und einsam …"
"Oh Roddy, warum bleibt dir die ewige Ruhe verwehrt?" rief Lady St. Leger.
"So viel wurde gestohlen", erklärte das Medium in bedeutungsvollem Ton. "Deshalb sehnen die Märtyrer ihren Frieden vergeblich herbei. Erst wenn sie das Diebesgut zurückbekommen, werden sie für immer schlafen."
"Und was müssen sie erhalten?"
Schweigend ließ Madame Valenskaya ihr Kinn auf die Brust sinken.
"Roddy?" flüsterte Lady Eleanor. "Bitte, Darling …"
Heftig zuckte die Russin zusammen. Dann hob sie langsam den Kopf. "Jetzt ist er verschwunden", stöhnte sie, ohne die Augen zu öffnen. "Sein Geist hat mich verlassen."
"Wie hat er das gemeint?" Lady St. Leger zog verwirrt die Brauen hoch. "Was sollen wir diesen Leuten zurückgeben? Wir können doch nicht unser Haus und die Ländereien verschenken." In ihrer Miene erschien ein fast rebellischer Ausdruck.
"Sicher ist es schwierig, Geistern irgendetwas zu schenken", bemerkte Stephen trocken.
"Warten Sie!" rief Madame Valenskaya, die Lider immer noch gesenkt, und begann ein wenig zu schwanken. "Plötzlich sehe ich etwas … Gold, ja – ein großes goldenes Kreuz." Nur zögernd öffnete sie die Augen. "Verzeihen Sie mir – nun ist alles dunkel."
Die anderen guckten sich verwundert
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