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Der Schatz von Blackhope Hall

Der Schatz von Blackhope Hall

Titel: Der Schatz von Blackhope Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Candace Camp
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wäre, den Mann in die Schranken zu weisen. Es dauerte lange, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte und ins Bett ging. Doch sie musste eine ganze Weile auf den ersehnten Schlaf warten – noch ein Problem, das sie Seiner Lordschaft verdankte. Sie wünschte, sie würde ihn wiedersehen, damit sie ihm erklären könnte, was sie von ihm hielt.
     
    Nach einer ziemlich rastlosen Nacht stand sie zeitig auf. Im Frühstückszimmer traf sie nur ihren Großonkel Bellard an, der ihr erfreut zulächelte. Meistens verhielt er sich still und zurückhaltend. Aber Olivia war seine Lieblingsverwandte. Am Vortag hatte er eine Lieferung französischer und englischer Zinnsoldaten erhalten, die Napoleons und Wellingtons Heere bei Waterloo darstellten, alle perfekt mit winzigen Ordensbändern oder Epauletten ausgestattet. Nun schwärmte er ungewohnt wortreich von seiner neuen Errungenschaft. Er war ein begeisterter Historiker, und es bereitete ihm ein ganz besonderes Vergnügen, berühmte Schlachten nachzustellen. Im dritten Stock des Broughton House, in einem großen Raum, standen mehrere Tische. Darauf hatte er das Terrain und die Teilnehmer verschiedener Gefechte arrangiert, zum Beispiel Nelsons Sieg bei Trafalgar, mit Schiffen, die er über blaues Glas segeln ließ. Auch John Churchills Sieg bei Blenheim war exakt nachempfunden.
    Er war ein dünner Mann, gebeugt vom jahrelangen Studium geschichtlicher Bücher und militärischer Formationen auf seinen Tischen, der zu Erkältungen neigte, weil er sich so oft im schlecht beheizten dritten Stock aufhielt. Um sich vor der kühlen Luft zu schützen, stülpte er ein Käppchen über sein schütteres weißes Haar. Mit seiner spitzen Nase glich er einem Vogel. Aber wegen seines sanften, freundlichen Lächelns fand ihn kein einziges Familienmitglied seltsam. Er war einfach Großonkel Bellard, von allen Großnichten und -neffen innig geliebt.
    Nach dem Frühstück begleitete Olivia ihn in seinen Arbeitsraum, um die Zinnfiguren zu bewundern, die er ausgepackt hatte. Dann verließ sie das Haus, mit einem schlichten braunen Hut, der zu ihrem schlichten braunen Kleid passte. Eine konservative Tournüre lockerte den strengen Stil ein wenig auf. Darunter fielen Rüschen aus demselben Stoff hinab, das einzige frivole Detail. Außer einer goldenen Uhr, die von einer Brosche an der Brust herabhing, trug sie keinen Schmuck.
    So wie jeden Morgen fuhr sie in der Kutsche des Duke zu einem schmucklosen Gebäude. Sie stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf, wo ihr Büro lag. An der Tür stand dieselbe Berufsbezeichnung wie auf ihrer Visitenkarte.
    "Hallo, Tom", grüßte sie und nahm den Schlüssel aus ihrem Retikül.
    Tom Quick, ihr Assistent, saß neben der Tür am Boden, den zottigen blonden Kopf über ein Buch gebeugt.
    Grinsend sprang er auf und klappte das Buch zu. "Guten Morgen, Miss. Wie geht's an diesem schönen Tag?"
    "Ganz gut, glaube ich, Tom. Danach muss ich Sie wohl nicht fragen. Offensichtlich sind Sie äußerst gut gelaunt."
    "Nicht wegen irgendwelcher Missetaten", beteuerte er hastig.
    Tom war ein Sozialprojekt ihres Bruders Reed gewesen, ein Taschendieb, den er vor einigen Jahren beim Versuch ertappt hatte, seine Brieftasche zu stehlen. Hinter dem schmutzigen Gesicht hatte Reed einen hellwachen Verstand erkannt. Statt den Burschen der Polizei zu übergeben, schickte er ihn in eine Schule. Vor zwei Jahren hatte Olivia den Vorschlag ihres Bruders, Tom einzustellen, akzeptiert und diesen Entschluss niemals bereut.
    Wie alt Tom war oder wie er wirklich hieß, wusste niemand – nicht einmal er selbst. Weil er blitzschnell in die Taschen fremder Leute greifen konnte, hatte man ihn Quick genannt. Olivia schätzte ihn auf siebzehn oder achtzehn. Jedenfalls besaß er eine Lebensweisheit, die weit über seine Jahre hinausging. Den beiden Geschwistern Moreland in sklavischer Treue ergeben, weigerte er sich, Olivias Büro zu verlassen, obwohl er bei einer größeren Firma mehr verdienen könnte. Olivia vermutete, dass Reed ihm den Job verschafft hatte, um seine Schwester möglichst unauffällig in die Obhut eines Beschützers zu geben.
    "Wie war's gestern Abend?" fragte Tom, nachdem sie die Tür aufgesperrt hatte, und folgte ihr ins Büro.
    Er zog die Jalousien hoch, und sie ging zu ihrem Schreibtisch. "Leider gar nicht gut." In knappen Worten schilderte sie die Ereignisse bei der Séance.
    "Wie schrecklich, Miss!" rief Tom, um angemessene Bestürzung zu zeigen. "Was werden Sie jetzt tun?"
    "Wohl

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