Der Schatz von Blackhope Hall
eingerichteten Raum um. Zu beiden Seiten des Betts gab es Fenster, die zum Garten hinausgingen.
Ein paar Minuten später ließ Belinda sie allein und schloss die Tür hinter sich. Erleichtert sank Olivia auf eine Chaiselongue. Theater zu spielen war viel schwieriger als erwartet. Außerdem plagten sie Gewissensbisse, weil Stephens Mutter und seine Schwester glaubten, er wäre in sie verliebt. Nun, sie hatte ihr Bestes getan, um Belinda vom Gegenteil zu überzeugen.
Es klopfte an der Tür, und Kyrias Zofe betrat das Zimmer – gefolgt von Tom, der Olivias Gepäck hereintrug.
Während Joan den Koffer auspackte und die Kleider in den Schrank hängte, hielten Olivia und ihr Assistent eine leise Besprechung ab. Er war ins Dienstbotenquartier eingezogen und hoffte, bald interessante Klatschgeschichten zu hören. Wie ihm bereits zu Ohren gekommen war, hatten weder Madame Valenskaya noch ihre Tochter eine Zofe mitgebracht, und Mr. Babington wurde nicht von seinem eigenen Kammerdiener betreut. Deshalb blickte das St.-Leger-Personal voller Verachtung auf diese Gäste hinab.
"Ich weiß nicht, ob man ihnen den Mangel an Dienstboten verübeln darf", bemerkte Olivia.
"Nun, die Mädchen sagen, deshalb müssten sie doppelt so viel arbeiten wie vor der Hausparty."
"Oh, ich verstehe."
"Gerade stritten zwei Stubenmädchen, weil keins der Valenskaya helfen wollte, sich fürs Dinner anzukleiden." Tom seufzte. "Dadurch erschwert sich meine Aufgabe. Ich hatte gehofft, den Zofen der Russin und ihrer Tochter Informationen entlocken zu können."
"Wie wär's denn, wenn Sie Mr. Babingtons Kammerdiener spielen würden?"
Zunächst schien ihn dieser Vorschlag nicht sonderlich zu begeistern, aber dann hellte sich seine Miene auf. "Was für eine gute Idee, Miss! Vielleicht rutscht ihm irgendwas heraus, das uns weiterhilft. Und die Hausdiener werden's mir danken, dass ich ihnen die Arbeit abnehme."
Von neuem Eifer erfüllt, eilte er davon. Olivia wollte Joan helfen, die Sachen auszupacken – ein Angebot, das die Zofe offensichtlich für eine Beleidigung hielt. "Ruhen Sie sich lieber aus, Mylady. Um acht beginnt das Dinner. Also muss ich Sie in einer Stunde frisieren und anziehen. Legen Sie sich hin. Inzwischen bügle ich die Falten aus Ihrem Kleid."
Zu müde für eine Diskussion, gehorchte Olivia. Dreißig Minuten später erwachte sie erfrischt und erholt.
Auf der Chaiselongue lag ihr eigenes smaragdgrünes Abendkleid, dessen Dekollete auf skandalöse Weise vertieft worden war, indem Kyria eine Spitzenborte herausgerissen hatte. Aber wie Olivia zugeben musste, stand ihr das Kleid erstaunlich gut. Und mit ihren Locken, von Joans geschickten Fingern fachkundig arrangiert, sah sie – nun ja – beinahe hübsch aus.
Doch ihr Stolz währte nur, bis Lady Pamela ins Speisezimmer rauschte, in dem sich alle anderen bereits versammelt hatten. Niemals würde Olivia mit dieser eng geschnürten Taille und dem milchweißen Busenansatz im Ausschnitt der schwarzen Abendrobe konkurrieren können. Warum hatte sie bloß befürchtet, ihr eigenes Dekollete wäre zu offenherzig?
Von der blonden Schönheit beeindruckt, brauchte sie eine ganze Weile, um zu bemerken, dass Lady Pamelas kokettes Gurren bei Lord St. Leger auf taube Ohren stieß. Er wirkte sogar gelangweilt. Schließlich richtete seine Schwägerin ihre Aufmerksamkeit auf Mr. Babington.
Nachdem der Hauptgang serviert worden war, wandte sich die Dowager Countess lächelnd an Madame Valenskaya. "Hoffentlich beehren Sie uns heute Abend mit einer Séance, meine Liebe."
Stephen setzte sich schlagartig gerade hin und warf Olivia einen kurzen Blick zu. Interessiert beobachtete sie die Russin, die während der bisherigen Mahlzeit geschwiegen hatte.
"Ja", antwortete sie nun. "Wenn Sie es wünschen, Mylady … Allerdings – die Geister sind nicht immer bereit."
"Natürlich, das weiß ich", beteuerte Lady Eleanor eifrig. "Aber es wäre so wundervoll, wenn Sie es versuchen würden."
"Ja, ja. Ihnen zuliebe, Mylady."
Nun guckte die Hausherrin Olivia an. "Madame Valenskaya ist ein hoch begabtes Medium. Verstehen Sie etwas von solchen Dingen?"
"Oh, die Geisterwelt fasziniert mich schon lange. Wenn Sie heute Abend eine Séance abhalten wollen, würde ich gern daran teilnehmen."
"Wie nett von Ihnen, Lady Olivia!" rief die Dowager Countess freudestrahlend. "Ist das nicht großartig, Stephen? Ich hoffe, auch du wirst dich zu uns gesellen."
"Gewiss", stimmte der Earl kurz angebunden zu.
Und so gingen sie
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