Der Schatz von Blackhope Hall
können wir Lady Alys, ihren Ehemann und ihren Liebhaber aus unseren Träumen verbannen – oder verhindern, dass Türen auffliegen und Kerzen erlöschen? Offen gestanden, das weiß ich nicht."
"Ich frage mich …" Nachdenklich starrte Großonkel Bellard vor sich hin. "Nehmen wir einmal an, Madame Valenskaya ist nichts weiter als eine Betrügerin und die Träume sind auf einen realen Ursprung zurückzuführen. Was heute Abend während der Séance geschah, kam mir sehr realistisch vor – die Kälte, die erloschenen Kerzen, obwohl ich keinen Luftzug gespürt habe, die Tür, die plötzlich aufschwang. Inzwischen bezweifle ich, dass dies alles inszeniert war. Und der Arzt hat Mr. Babingtons Koma eindeutig diagnostiziert. Bei jener Séance, bei der er den Anfall erlitt, hatten Sie nicht den Eindruck, er habe Theater gespielt, nicht wahr, Lord St. Leger? Und du auch nicht, Olivia?"
"Gewiss nicht", bestätigte Stephen, und Olivia nickte.
"Setzen wir einmal voraus, Madame Valenskaya würde trotz ihrer mangelnden Fähigkeiten irgendwie einen Weg in eine andere Welt öffnen, wenn sie in ihrer scheinbaren Trance redet …"
"Meinen Sie, sie hätte die Geister tatsächlich gerufen?" fragte Stephen skeptisch.
"Da bin ich mir nicht sicher. Aber wenn wir glauben, die Geister des Liebesdreiecks aus dem zwölften Jahrhundert wären in diesem Haus eingeschlossen – ist es dann nicht denkbar, dass Madame Valenskaya einen Kontakt zu diesen Schattengestalten herstellen könnte? Vielleicht benutzten sie das Medium, um heute Abend aufzutauchen oder in Babingtons Körper zu schlüpfen und mit seiner Stimme zu sprechen."
"Bitte, Onkel!" Olivia erschauerte. "Jetzt hast du mich ernsthaft erschreckt."
"Denken Sie an das Böse, das Sie in Blackhope gespürt haben, Lady Olivia", mahnte Stephen. "Sie träumten von Lady Alys und der goldenen Kassette. Und nachdem Sie das Kästchen berührt hatten, erzählten Sie mir von der Anwesenheit einer starken bösen Macht."
"Was keineswegs bedeutet, dass Madame Valenskaya diese böse Kraft heraufbeschworen hat", wandte Olivia ein.
"Das stimmt", meinte Rafe. "Nach meiner Ansicht wird das alles von den Gefühlen zwischen Ihnen und Stephen hervorgerufen, Lady Olivia. Und die Verbindung von der Gegenwart zur Vergangenheit ist die Liebe zwischen Lady Alys und John. Von dieser übergroßen Leidenschaft getrieben, brachen beide ihre Gelübde – den Eheschwur und den Lehenseid – und scheuten sich nicht, eine Tragödie herbeizuführen. Jetzt werden sie von einem Paar herbeigelockt, das von ähnlichen Emotionen erfüllt wird."
In Olivias Wangen stieg brennende Röte, und Stephen warf seinem Freund einen vernichtenden Blick zu. "Verdammt, Rafe, hüte deine Zunge!"
"Verzeihen Sie, Madame", bat Rafe, nicht im Mindesten zerknirscht. "Meine Mama hat sich schon immer über meine schlechten Manieren geärgert."
"Also, ich finde Mr. McIntyres Theorie plausibel", sagte Großonkel Bellard unvermittelt. "Natürlich hoffe ich, das Paar, das hier am Tisch sitzt, wird nicht das gleiche Schicksal erleiden wie Lady Alys und John."
Seiner Nichte fehlten die Worte, und sie wagte Stephen nicht anzuschauen. Womöglich glaubte er, sie hätte ihrem Onkel von seinen leidenschaftlichen Zärtlichkeiten erzählt.
Nach einer Weile brach Stephen das drückende Schweigen. "Was immer die Ereignisse ausgelöst hat – mich interessiert vor allem die Frage, wie wir ihnen ein Ende bereiten können. Es missfällt mir nämlich, in einem Haus zu wohnen, wo jeden Augenblick Geister erscheinen können."
"Ja, das ist ziemlich unangenehm", pflichtete Rafe seinem Freund bei und grinste. "Im Lauf der Jahre habe ich viele Geschichten von Geistern gehört, die alte Häuser heimsuchen. Aber bisher hat mir noch niemand erzählt, wie man sie verscheucht."
"Besten Dank", erwiderte Stephen sarkastisch, "du bist uns eine große Hilfe."
"Wie wäre es mit einem exorzistischen Ritual?" schlug Bellard Moreland vor.
"Wäre ich damit einverstanden, würde der Vikar an meinem Verstand zweifeln", erwiderte Stephen.
"Hilft das auch bei Geistern?" fragte Olivia. "Ich dachte, die Exorzisten befassen sich nur mit dem Satan und anderen höllischen Dämonen."
Statt zu antworten, zuckte Stephen nur die Achseln.
"Ich habe von Menschen gehört, die eines gewaltsamen Todes starben und als Geister zum Schauplatz ihrer Ermordung zurückkehrten, um irgendetwas zu suchen", berichtete Rafe. "Vielleicht, wenn man Lady Alys und ihrem Liebsten geben würde, wonach sie
Weitere Kostenlose Bücher