0353 - Ein Toter zuviel
Leutnant Boney von der City Police saß in dem kleinen Büro der Friedhofsverwaltung den Angehörigen der Familie Goodwin gegenüber.
Während sich eine Angestellte um die Frau bemühte, hockte deren Sohn Bennie fassungslos neben dem Leutnant.
»Ich bin vollkommen sicher«, sagte Bennie. »Es ist ein Fremder, Leutnant. Mein Vater wurde nicht erschossen, sondern starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls.«
Der Leutnant räusperte sich.
»Meine Leute haben bis jetzt die Leiche Ihres Vaters nicht finden können. Hier in der Halle ist sie bestimmt nicht mehr. Möglich wäre, daß sie versehentlich in einem anderen Grab beigesetzt wurde. Wir werden deshalb die neuen Gräber öffnen müssen. Aber dazu brauchen wir einen Gerichtsbeschluß. Ich muß Sie deshalb um Geduld bitten, denn es wird einige Zeit dauern.«
Bennie Goodwin schwieg und krampfte die Hände ineinander. Im Gesicht des jungen Mannes zuckte es.
»Lassen Sie Mr. Pinkham kommen«, sagte der Leutnant zu dem Cop, der neben dem Eingang der Halle stand.
Mr. Pinkham, der Inhaber des Beerdigungsinstitutes, kam und nahm umständlich vor dem Schreibtisch Platz.
»Seit wann haben Sie Ihr Geschäft«, fragte der Leutnant.
»Ich habe das Unternehmen von meinem Vater geerbt«, erwiderte Mr. Pinkham und fuhr nach einer Atempause fort: »Mein Unternehmen ist bekannt für die diskrete Art, mit der es Aufträge erledigt. Die besten Familien New Yorks zählen zu meinen zufriedenen Kunden.«
»Glauben Sie, daß die Leiche Mr. Goodwins erst in der Friedhofshalle vertauscht worden ist?«
»Ganz gewiß!« beteuerte Mr. Pinkham. »Meine Leute sind absolut zuverlässig. Beide sind schon seit zehn Jahren bei mir angestellt. Gestern vormittag betteten sie Mr. Goodwin in den Sarg. Der Sarg wurde sofort geschlossen. Dann fuhren sie ihn zur Leichenhalle. Blumen und Kränze waren schon dort.« Der Leutnant ging in die Halle. Vor einem der großen Fenster, hinter denen die Toten aufgebahrt wurden, waren die Vorhänge herabgelassen. Kränze und Blumen, die die Nachwelt Mr. Goodwin so reichlich gespendet hatte, waren beiseite geräumt.
Der Sarg stand auf dem Fußboden Auf der Decke daneben lag die Leiche des Fremden. Boney sah den Arzt fragend an, der neben dem Toten kniete.
»Über die Todesursache brauchen wir uns nicht lange den Kopf zu zerbrechen«, murmelte der Doktor.
Quer über den Rücken des Toten lief eine Reihe von Einschüssen.
»Wie lange ist er schon tot?« fragte der Leutnant.
»Nicht weniger als zwei, höchstens drei Tage. Er war etwa 28 Jahre alt. Hinweise auf seine Identität finden sich nicht. Es sei denn, Sie können damit etwas anfangen.«
Der Arzt schob den Ärmel der Jacke des Toten hoch. Eine Tätowierung wurde sichtbar. Es waren zwei gekreuzte Kanonenrohre, die von einem Eichenkranz umschlungen wurden. Boney pfiff durch die Zähne »Vorgestern nachmittag überfielen zwei Gangster den bekannten Juwelier Colling. Er wurde erschossen, als er die Alarmanlage betätigen wollte Ein Angestellter behauptet, einer der Burschen wäre am linken Unterarm tätowiert gewesen. Zwei gekreuzte Kanonenrohre und ein Eichenkranz. Es könnte also…«
»Vielleicht ist die Tätowierung eine Erinnerung an die Dienstzeit bei der Army«, meinte der Arzt.
Der Leutnant nickte und winkte einem Fotografen.
»Machen Sie eine Aufnahme und lassen Sie das Bild an die Fernsehstation schicken. Ich werde mich mit den Leuten in Verbindung setzen und dafür sorgen, daß das Foto während der nächsten Nachrichten ausgestrahlt wird.«
Boney vermutete, daß die Leichen vertauscht worden waren, um den Erschossenen verschwinden zu lassen.
Aber wo war Mr. Goodwins Leiche geblieben?
Boney hatte angenommen, man habe sie in einem der neuen Gräber auf dem Friedhof verscharrt, aber die Beamten hatten nichts entdecken können.
Das Fernsehen brachte nach den Nachrichten die Beschreibung des unbekann-Toten und eine Aufnahme des linken Unterarmes. Die Tätowierung war deutlich zu erkennen.
Noch am gleichen Abend meldete sich in der Center Street ein Mr. Gringer, der behauptete, den Toten zu kennen. Boney packte ihn in einen Streifenwagen und fuhr mit ihm zum Schauhaus.
»Es ist Joe Vecha«, sagte Mr. Gringer. »Ja, das ist er. Dieser spitze Schneidezahn, hier links oben. Ich habe lange genug mit ihm zusammen gearbeitet.«
Leider konnte Mr. Gringer nicht angeben, wo Vecha gewohnt hatte.
Er habe den Ermordeten vor ungefähr drei Jahren aus den Augen verloren, erzählte er.
Der Lieutenant
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