Der Schatz von Blackhope Hall
Rafe lächelte Irina höflich an. "Wäre es möglich, dass Ihre Mutter Hals über Kopf abgereist ist? Nach der Séance gestern Abend wirkte sie ziemlich mitgenommen."
"Ohne mich würde Mama dieses Haus niemals verlassen", protestierte Irina. "Wenigstens hätte sie mir Bescheid gegeben."
"Natürlich", stimmte Lady St. Leger zu. "Oh, ich habe solche Angst. Wenn sie einen ähnlichen Anfall erlitten hat wie Mr. Babington … Ich begreife einfach nicht, warum die Séancen so erschreckende Formen angenommen haben. Früher verliefen sie ganz anders."
"Mach dir keine Sorgen, Mutter", sagte Stephen. "Wir werden Madame Valenskaya suchen. Bleib inzwischen hier, falls sie zurückkommt. Rafe?"
Ein Blick genügte, und Rafe trat an die Seite seines Freundes. "Wo fangen wir an?"
"Würdest du mit Irina diesen Teil des Erdgeschosses durchsuchen? Die Ballsäle, den Wintergarten, beide Speisezimmer … Olivia und ich nehmen uns die Westseite vor, und ich werde ein paar Lakaien beauftragen, im Garten nachzusehen."
"Einverstanden." Rafe führte Irina zur Tür hinaus, und der Earl zog am Glockenstrang. Als ein Lakai eintrat, erhielt er die Anweisung, einige Dienstboten zu verständigen, die den Garten, die Stallungen und die Küchenräume absuchen sollten.
Danach ging Stephen mit Olivia in die Bibliothek. Dort fanden sie nur ihren Großonkel. Sobald er erfahren hatte, was geschehen war, schloss er sich an. Im Musikzimmer saß Belinda am Klavier. Nur zu gern beendete sie ihre Übungen, um bei der Suche mitzuhelfen. Weder im kleinen Salon an der Rückfront des Hauses noch in der Räucherkammer entdeckten sie eine Spur von der Russin.
Am Fuß der Treppe trafen sie Rafe und Irina, die aus der entgegengesetzten Richtung gekommen waren. Um Stephens unausgesprochene Frage zu beantworten, schüttelte der Amerikaner den Kopf. "Da drüben haben wir alles abgesucht. In diesem Haus gibt es einfach zu viele Räume, Steve, alter Junge. Leider haben wir Madame Valenskaya nicht gefunden. Ich sprach mit dem Lakaien im Frühstückszimmer, und er bestätigte, dass sie an diesem Morgen nicht erschienen ist."
"Sicher ist ihr etwas zugestoßen", seufzte Irina unglücklich.
Stephen stieg die Treppe hinauf, und alle folgten ihm. Im oberen Stockwerk schickte er Rafe und Irina zur einen Seite des Flurs, Moreland und Belinda zur anderen. Dann ergriff er Olivias Hand und führte sie zum Ende des Korridors, wo das Schlafzimmer des Mediums lag, und sie traten ein. Wie erwartet, trafen sie Madame Valenskaya nicht an. Aber über den Sesseln und dem Toilettentisch lagen mehrere Kleider, unordentlich und zerknüllt.
"Offensichtlich hat sie ihre Sachen nicht gepackt, um abzureisen", stellte Stephen fest. "Das war mein erster Gedanke, als Miss Valenskaya verkündet hat, ihre Mutter sei verschwunden."
"Sieht nicht so aus. Obwohl – die gestrige Séance schien sie ziemlich erschüttert zu haben."
Auch in Irinas Zimmer suchten sie vergeblich nach dem Medium. Danach liefen sie zu Mr. Babington, denn sie dachten, vielleicht würde sich Madame Valenskaya um ihren Freund kümmern. Doch sie erblickten nur eine Dienerin neben dem Bett, die bei der Ankunft der Herrschaften sofort aufsprang. Stephen bedeutete ihr, wieder Platz zu nehmen. Unbewegt lag der Patient da, die Augen geschlossen.
"Wie geht es ihm?" fragte Stephen. Ebenso wie Olivia hatte er nach Mr. Babingtons Zusammenbruch regelmäßig den Zustand des Patienten überprüft, aber keine Veränderung bemerkt.
"So wie an all den letzten Tagen, Mylord", erwiderte das Mädchen. "Bald müsste der Doktor kommen – falls Sie mit ihm sprechen möchten."
Stephen nickte und kehrte mit Olivia in den Flur zurück. Eine Zeit lang beobachteten sie, wie die Mitglieder des Suchtrupps eine Tür nach der anderen öffneten, offensichtlich ohne Erfolg.
"Und der unbenutzte Flügel?" Olivia zeigte zu einem schmaleren Korridor, der vom Hauptgang abzweigte.
Hinter der Ecke lagen einige Gästezimmer, die derzeit nicht benutzt wurden. Stephen zuckte die Achseln. "Da müssen wir uns wohl oder übel umsehen, wenn wir gründlich vorgehen wollen. Danach durchsuchen wir die oberen Stockwerke. Aber ich glaube allmählich, Madame Valenskaya hat den alten Trakt erforscht und sich dabei verirrt."
"Oder ihr Verschwinden gehört zu einem raffinierten Schachzug."
Lächelnd wandte er sich ihr zu. "Schwingt in deiner Stimme ein zynischer Unterton mit, Olivia?"
"Eher eine ganze Sinfonie, wenn es um Madame Valenskaya und ihre Tochter geht."
"Wie
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