Der Schatz von Blackhope Hall
seinen Mund auf ihren und genoss ihren süßen Geschmack. In immer schnellerem Rhythmus strebte er seiner eigenen Erfüllung entgegen.
Danach sank er neben ihr aufs Bett hinab und umarmte sie. Ihr Kopf lag auf seiner Brust. Zärtlich küsste er sie auf den Scheitel, und sie schmiegte sich noch fester an ihn. Beide schwiegen. In stiller Zufriedenheit lagen sie beisammen. Angenehm erwärmt bis in die Tiefen ihrer Seele, fühlte sich Olivia völlig entspannt und wunschlos glücklich. Kein Gedanke störte das idyllische Paradies, keine Frage, kein Problem. In diesem Augenblick gab es keine Erinnerung an Stephens einstige Liebe, an Medien und Séancen, an geisterhafte Frauen, die durch die Halle von Blackhope schwebten oder in seltsamen Träumen auftauchten.
Sie kuschelte sich einfach nur in die Arme des Mannes, den sie liebte.
Als Olivia am nächsten Morgen erwachte, blieb sie reglos liegen und überließ sich dem Glück, das immer noch in ihr pulsierte. Lächelnd dachte sie an die Ereignisse der letzten Nacht – erst die verzehrende Lust, dann das Gefühl sanften Friedens an Stephens Seite. Später hatten sie sich flüsternd unterhalten, leise gelacht, nichts Wichtiges gesagt. Und doch war ihr jedes einzelne Wort bedeutsam erschienen.
Schon am ersten Abend hatte sie sich in Stephen verliebt. Das erkannte sie in diesem Moment. Trotz der beängstigenden Dinge, die in Blackhope geschahen, war sie jeden Morgen ungeduldig aus dem Bett gestiegen, voller Freude auf den neuen Tag, den sie mit ihm verbringen würde.
Bis zur vergangenen Nacht hatte sie diese Emotionen ignoriert. Und plötzlich war sie von einer Erkenntnis erschüttert worden, die sie ebenso überwältigt hatte wie die körperlichen Genüsse – sie liebte Stephen von ganzem Herzen.
Ob er ihre Gefühle erwiderte, wusste sie nicht. Es widerstrebte ihr, diese Frage zu klären. Vorerst genügte ihr seine Leidenschaft, die er vor wenigen Stunden bewiesen hatte, mit ungezügeltem, elementarem Temperament. Sie wollte auch nicht herausfinden, ob Pamela ihm mehr bedeutet hatte als sie – oder ob seine Begierde die Nachwirkung der sonderbaren Träume war.
Nein – im Augenblick würde sie einfach nur auskosten, was das Schicksal ihr gewährte.
Schließlich stand sie auf und ging zum Spiegel, um festzustellen, ob sie genauso verändert aussah, wie sie sich fühlte. Tatsächlich, sie entdeckte neue Züge in ihrem Gesicht, einen hellen Glanz in den Augen, leicht gerötete Wangen, einen weicheren Ausdruck. Hoffentlich würden die anderen Hausbewohner das nicht bemerken.
Joan kam ins Zimmer, um ihr bei der Morgentoilette zu helfen. Da die Zofe kein Wort über die wundersame Verwandlung ihrer Herrin verlor, atmete Olivia erleichtert auf.
Dann ging sie zum Schrank und überlegte, was sie an diesem Tag anziehen sollte. Irritiert runzelte sie die Stirn. Warum hatte sie sich immer so schlicht und unscheinbar gekleidet? Wenn sie nach London zurückkehrte, würde sie eine farbenfrohe Garderobe kaufen, die zu ihrer Stimmung passte. Sie wählte das hübscheste Tageskleid und protestierte nicht, als Joan ein kunstvolles Lockenarrangement auf ihrem Oberkopf feststeckte. Hoch zufrieden mit ihrem Aussehen, stieg sie die Treppe hinab.
Wie sie sich verhalten würde, wenn sie Stephen nach dieser beglückenden Liebesnacht wiedersah, wusste sie nicht. Sie fürchtete, ihr strahlendes Lächeln würde allen Anwesenden verraten, was sie erlebt hatte. Einerseits fühlte sie sich ein wenig scheu, andererseits erwartungsvoll. Was würde er sagen? Wie würde er ihr begegnen?
Glücklicherweise traf sie, von einem Dienstboten abgesehen, nur Stephen im Frühstückszimmer an. Er saß am Tisch und nippte an seinem Tee. Sobald sie eintrat, sprang er auf und eilte ihr entgegen. "Olivia!" rief er erfreut.
Einige Sekunden lang glaubte sie, er würde sie umarmen. Doch dann wanderte sein Blick zu dem Lakaien hinüber, der neben dem Sideboard stand.
Stephen rückte ihr einen Stuhl zurecht. Bevor er zu seinem Platz zurückkehrte, streifte seine Hand ihre Schulter. "Eine Tasse Tee?"
"Ja, bitte."
Sofort stand der Lakai neben ihrem Stuhl und schenkte ihr Tee ein. Dann zog er sich wieder auf seinen Posten zurück. Olivia schaute Stephen über den Tisch hinweg an. Welch ein Segen, dass niemand da war, dem ihr zärtliches Lächeln auffallen würde … Sie hatte ihr Mienenspiel einfach nicht unter Kontrolle. Wäre noch jemand am Frühstückstisch erschienen, hätte er ihr gewiss angemerkt, was
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