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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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auch. Sie wusste nicht, ob die Katze noch da war. Kniff die Augen zu. Stolperte. Aufpassen.
    Nicht nach hinten gucken. Dahin, wo vielleicht das Kätzchen noch saß.
     Schlafe, schlafe, du, mein Kindlein, schlaf ein …
     Am Ende der Straße ein Eisentor. Dahinter ein Park mit hohen Bäumen. Vögel kreischten in der Luft. Das Tor verschlossen.
    Die Vögelein, sie sangen  so süß im Sonnenschein,  sie sind zur Ruh gegangen  In ihre Nestchen klein …
    Clarissa kauerte sich in einen Hauseingang. Sie zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. Ihre Hände fühlten sich an, als gehörten sie einem anderen Mädchen. Ihre Füße auch. Vielleicht träumte sie nur. Und musste bloß einschlafen, um wieder aufwachen zu können.
     Schlafe, schlafe, du mein Kindlein, schlaf ein …
     
    Sie wirkte peinlich berührt, als sie ihm öffnete. Schuldbewusst. Aber sie bekam sich rasch wieder in den Griff. Das Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, überwältigte Bert. Sie schien sich tatsächlich über seinen Besuch zu freuen. Er folgte ihr in den Wintergarten, wo ein leerer Becher auf dem Tisch stand.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee?«
    »Danke. Nein. Ich habe gerade noch einen Kaffee getrunken.«
    Sie setzten sich. Und schauten schweigend hinaus aufs Land.
    »Ich warte auf meine Katzen. Und auf den Bussard. Seltsam, nicht? Dass man erst zur Ruhe kommt, nachdem alle zu Hause sind?«
    »Das hängt von der Geschichte ab, die man hinter sich hat«, sagte Bert.
    Sie lächelte. »Ja. Stimmt.«
    Bert bewunderte sie für ihre Stärke. Zweimal hätte sie um ein Haar ihre Tochter verloren. Das steckte man nicht so einfach weg.
    »Aber Sie sind nicht hergekommen, um über Vergangenes zu sprechen«, sagte sie.
    »Nein. Ich würde mich gern mit Ihrem … mit Herrn Baumgart unterhalten.«
    Dieses Zögern. So etwas durfte ihm nicht passieren. Er sollte in der Lage sein, die Worte mit Bedacht zu wählen. Bert schluckte seinen Ärger hinunter. Was war er nur für ein Trottel.
    »Er ist noch nicht zurück.« Sie lächelte verlegen. Vielleicht war ihr aufgefallen, dass sie ihren Lebensgefährten bei der Aufzählung derer, auf die sie wartete, vergessen hatte. »Haben Sie es in seiner Praxis versucht?«
    Bert schüttelte den Kopf. »Ich habe mich spontan zu diesem Besuch entschlossen und dachte, ich fahre einfach mal vorbei.« Er stand auf. »Macht nichts. Es hat auch Zeit bis morgen.«
    »Geht es um das Mädchen?«
    »Mina Kronmeyer, ja.«
    »Sie haben sie … noch nicht gefunden.«
    »Leider nein. Herr Baumgart könnte mir dabei helfen.«
    Sofort wusste er, dass er zu weit gegangen war. Doch sie nahm es nicht übel.
    »Ich werde mit ihm sprechen«, versprach sie.
    Als er in seinen Wagen stieg, kamen die Katzen angelaufen. Imke hielt ihnen die Tür auf. Dann winkte sie Bert zu und  verschwand im Haus. Bert machte das Radio an und drehte den Ton so laut, dass die Musik ihm in den Ohren dröhnte. Alles war besser, als darüber nachzudenken, dass er am liebsten geblieben wäre.
     
    Uns wurde klar wie wenig wir über Mina wussten. Wir kannten weder ihre Lieblingsplätze, noch ihre Gewohnheiten, weder ihre Vorlieben noch ihre Abneigungen. Bei der Suche nach Merle hätte ich keine Sekunde gezögert. Ich hätte es auf dem Gelände des Tierheims probiert, im Schlossgarten und in dem kleinen Wald hinter dem Weiher.
    Bei Mina war ich mir nicht mal sicher, wie gut sie Bröhl überhaupt kannte, denn ihre Familie und die meisten der  Wahren Anbeter Gottes lebten in dem kleinen Vorort, in dem auch die alte Kleiderfabrik stand.
    »Ein Scheißgefühl«, schimpfte Merle, »nicht zu wissen, wo man suchen soll.«
    »Und nicht mal zu wissen, wen man sucht.«
    Sie nickte grimmig. »Es gibt so viele stinknormale Menschen auf der Welt. Aber nein, wen gucken wir uns aus? Eine Multiple.«
    »Streng genommen haben wir sie uns nicht ausgeguckt.« Ich hakte mich bei Merle ein.
    »Was dem Ganzen noch die Krone ins Gesicht schlägt.«
    »Aufsetzt.«
    »Wie bitte?«
    »Die Krone aufsetzt«, wiederholte ich.
    »Meinetwegen.« Merle stand mit Redensarten auf Kriegsfuß, aber sie hörte nicht auf, mit ihnen um sich zu werfen. »Und wenn Mina einfach gegangen ist? Kann doch sein, dass sie uns nicht in ihre Probleme reinziehen will.«
    »Ohne sich zu verabschieden? Und außerdem - wir hängen
    Wie oft hatten Minas Schreie uns in den vergangenen Nächten aus dem Schlaf gerissen. Wie oft hatten wir sie schweißgebadet in einem ihrer Verstecke

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