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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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Familie lebte.
    Vom Fenster meines Zimmers blickte ich auf das Haus der Nachbarn. Dort wohnte ein ziemlich alter Mann mit seiner Familie. Wenn er das Haus verließ, begleitete ihn stets ein junger Mann. Beide trugen Militäruniformen. Das Fenster des jungen Mannes befand sich genau gegenüber von meinem, sodass ich sehen konnte, was er tat. Ich fand ihn in seiner Uniform sehr schön: Er war groß und schlank, hatte einen dünnen Schnurrbart und eine goldbraune Haut. Oft setzte er sich mit einem Buch ans Fenster und hob hin und wieder den Kopf, um zu mir hinüberzuschauen. Dann senkte ich schamhaft meinen Blick und tat, als sähe ich ihn nicht. Als er begriff, dass ich ihn beobachtete, stand er auf, um mich besser sehen zu können. Darüber erschrak ich fürchterlich, wenngleich ich gerne gewusst hätte, ob ich ihm gefiel.
    Einmal kam mein Bruder in mein Zimmer. Hastig schloss ich das Fenster.
    »Was willst du?«, fragte ich mit Unschuldsmiene.
    Er trat ans Fenster, aber ich hatte mich vor ihn gestellt, sodass ich ihm die Sicht versperrte. Er sagte, ich solle zur Seite treten, denn er wollte seinem Freund unten auf der Straße etwas zurufen. Ich hoffte inständig, dass mein Nachbar inzwischen verschwunden sei! Als mein Bruder wieder fort war, blickte ich hinaus und stellte erleichtert fest, dass der junge Mann nicht mehr zu sehen war.
    Eines Tages wollte meine Mutter mir zeigen, wie man Nudeln zubereitet.
    »Eine gute Ehefrau muss für ihren Ehemann kochen können.«
    »Ich will aber keine gute Ehefrau sein. Lieber will ich etwas lernen, damit ich später auch arbeiten kann.«
    Sie lachte höhnisch und wiederholte spöttisch meine Worte.
    »Ich wusste gar nicht, dass ich mit dir einen Jungen zur Welt gebracht habe! Du wirst tun, was ich dir befehle. Die Leute sollen später sagen, dass Warda ihre Tochter gut erzogen hat. Und damit ich stolz auf dich sein kann, musst du eine gute Tochter sein und eine gute Ehefrau, die den Mann ehrt, der sie einmal heiratet. Später wirst du mir dafür danken, dass ich dich gelehrt habe, eine gute Ehefrau zu sein. Los jetzt! Schütte die Nudeln in das Sieb, und tu ein wenig Butter dazu.«
    In dieser Zeit versuchte ich das Verhalten meiner Mutter zu begreifen. Warum liebte sie mich nicht? Warum nahm sie mich niemals in den Arm, wie es andere Mütter taten? Warum liebkoste sie meine Brüder und mich nicht?
    Manchmal dachte ich, ich sei ein Adoptivkind. Es schien mir einfach unvorstellbar, dass Eltern ihr eigenes Kind verabscheuen konnten und ihm keinerlei Aufmerksamkeit schenkten. Wie sehr beneidete ich meine Schulkameradinnen! Wennihre Eltern sie abholten, behandelten sie ihre Töchter liebevoll und fragten, wie ihr Tag verlaufen war. Alles hätte ich dafür gegeben, an ihrer Stelle zu sein, wenigstens für einen kurzen Augenblick!
    Die Ferien rückten näher. Nachdem ich mein Zeugnis meiner Mutter vorgelegt hatte, trug sie mir auf, es abends meinem Vater zu zeigen.
    »Er hat dir etwas mitzuteilen«, verkündete sie.
    »Was denn, Mama?«, fragte ich neugierig.
    »Das wirst du schon sehen. Warte bis heute Abend!«
    Ich ging auf mein Zimmer, um Ausschau nach meinem schönen Nachbarn zu halten. Wie jeden Tag um diese Zeit stand er am Fenster. War das vielleicht Absicht? Ich konnte nicht glauben, dass ein so hinreißender junger Mann sich für ein Mädchen wie mich interessieren sollte. Nichts an mir wies darauf hin, dass ich ein hübsches Mädchen war. Außerdem war er viel älter als ich.
    Ich sehnte mich nach dem Gefühl, wichtig für jemanden zu sein, und dieses kleine Spiel der Verführung verlieh meinem Leben einen gewissen Reiz. Bevor ich zum Fenster ging, löste ich mein Haar, um anziehender zu wirken. Ich war stolz auf meine langen glänzenden schwarzen Haare. Meistens trug ich sie jedoch, wie meine Mutter es mir befahl, zusammengebunden, geflochten oder zu einem Knoten hochgesteckt.
    »Wenn du bei deinem Ehemann lebst, kannst du sie auf eine andere Weise frisieren, aber bei mir nicht«, wiederholte sie unerbittlich.
    Als ich Schritte im Flur vernahm, schloss ich hastig das Fenster und band meine Haare zusammen. Mein Vater hatte Malek geschickt, um mich holen zu lassen.
    Gott, hilf mir! Wenn mein Vater mich zu sich rufen ließ, ging es um etwas Wichtiges, das jedoch nicht unbedingterfreulich für mich war. Mit gesenktem Blick trat ich zu ihm. Da er gerade fernsah, wartete ich schweigend. Mein Herz schlug so heftig, dass mir der Atem stockte.
    Schließlich bemerkte er, dass ich

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