Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
eigene Anhörung warteten, beglückwünschten uns. Wir ermutigten sie, die Hoffnung nicht aufzugeben, und wünschten ihnen viel Glück. Auch ein paar enttäuschte Gesichter im Hintergrund nahm ich wahr. Sie taten mir leid, aber mein Glück war einfach überwältigend und konnte durch nichts getrübt werden.
Der 10. Oktober war der Tag, an dem ich zum zweiten Mal geboren wurde. Für immer wird mir dieses Datum im Gedächtnis bleiben.
Die Anwältin unterrichtete mich über die letzten Schritte, die jetzt noch anstanden, um die offiziellen Papiere zu erhalten. Doch um ehrlich zu sein, hatte ich nur eines im Sinn: Ich wollte diesen Ort verlassen und so schnell wie möglich mit den Kindern nach Hause zurückkehren.
Jetzt konnte ich mit Fug und Recht sagen, ich kehre nach Hause zurück, ich bin zu Hause, es ist mein Land … Wie schön diese Wendungen klingen!
Alle Mitarbeiterinnen des Frauenhauses hießen uns willkommen. Über unserer Tür hatte France ein riesiges Plakat aufgehängt, auf dem stand: Willkommen in Kanada! Ich bin sehr glücklich, dass ihr bei uns seid! Was für ein bewegender Empfang!
Einige Zeit später zogen wir in eine eigene Wohnung. Bei den Kindern verblasste nach und nach die Erinnerung an die schwierigen Zeiten.
Meine fünf Kinder sind immer noch glücklich darüber, Kanadier zu sein. Sie haben Freunde gefunden, und die drei Kleinen sprechen bereits Französisch mit dem Akzent von Québec.
Ich wünsche mir, dass alle unterdrückten Frauen in der ganzen Welt sich eines Tages frei fühlen können und ein ähnliches Glück kennenlernen wie ich heute.
Ich glaube ganz fest daran, dass alles vergangene Leid sich nun in Glück wandelt. Ja, ich habe viel durchgemacht, aber nun genieße ich jeden Augenblick des Friedens, der mir geschenkt wird. Ich bin eine freie Frau – das ist mir bewusst und dessen möchte ich mich würdig erweisen.
Früher schien ich alles zu besitzen, und doch hatte ich nichts. Jetzt besitze ich nichts, und doch habe ich alles, denn ich bin frei.
Heute führe ich ein friedliches Leben mit meiner Familie. Unsere bescheidene Wohnung liegt in einem nicht sehr guten Viertel im Westen von Montréal. Doch um keinen Preis der Welt würde ich in meinen Palast in Algerien zurückkehren …
Danksagung
Folgenden Personen möchte ich für ihre bedingungslose Hilfe meinen tiefen Dank aussprechen:
In Algerien: meiner Freundin Layla und meiner lieben Nachbarin in Algier, deren Namen ich aus Sicherheitsgründen nicht nennen möchte.
In Frankreich: Redwane, der keine Papiere besaß; dem Verein »Nanas Beurs« und ganz besonders Samia und Baya; dem Verein »Espace Faire« und ganz besonders Nadjet und Mélanie sowie Lucette von der Katholischen Familienhilfe.
In Spanien: Philippo, unserem Samariter.
In Montréal: dem hilfsbereiten libanesischen Taxifahrer Ahmed, meiner Anwältin Maître Venturelli, dem Zentrum »Le Parados« und all seinen Mitarbeiterinnen, ganz besonders Caroline, France, Christine und der Leiterin Madame Dion sowie der Psychologin Madame Perron.
Ein besonderer Dank gilt Louise Ducharme für ihre wertvollen Ratschläge und ihre Unterstützung beim Schreiben dieses Buches.
Und schließlich danke ich von ganzem Herzen Jean-Claude!
Samia Shariff
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