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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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Kinder erwähnte, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie hatten ein Recht darauf, glücklich zu sein. Bis zu unserer Ankunft in diesem Land hatte ihr kurzes Leben eher einem Albtraum geglichen.
    In drei Tagen sollte die entscheidende Anhörung stattfinden. Ich bereitete die Kinder so gut wie möglich darauf vor. Sie sollten verstehen, warum wir vor diesen Mann treten mussten, der über unser Schicksal zu entscheiden hatte. Andererseits wollte ich die Bedeutung der Anhörung jedoch nicht unnötig aufbauschen, da die Kleinen seit unserer Ankunft in Québec schon genug hatten durchstehen müssen. Ich zwang mich, auch jetzt noch an einen günstigen Ausgang zu glauben.
    Immer öfter traf ich mich mit Caroline vom Frauenhaus. Sie hörte mir zu und nahm großen Anteil an meiner Verzweiflung. Es gab Augenblicke, in denen wir beide gemeinsam weinten, doch sie ermutigte mich auch immer wieder: »Wenn ich der Richter wäre, Samia, würde ich dir sofort die Aufenthaltsgenehmigung erteilen, denn du hast sie wirklich verdient. Ich bin sehr optimistisch und fühle, dass der Richter dir gewogen sein wird.«
    Diese drei Tage wollten einfach nicht vergehen …
    Am Abend vor der Anhörung fragte ich die Anwältin, wie wir uns für das Gericht anziehen sollten.
    »Ich kann dir nur einen einfachen Rat geben, Samia: Versuche nicht, dich zu verkleiden! Trag etwas, womit du dich wohl fühlst. Und du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Der Richter ist zwar streng, aber kein schlechter Mensch. Deine Situation lässt niemanden kalt, das kann unser Vorteilsein. Versuch zu schlafen, und dann sehen wir uns morgen Früh.«
    Natürlich tat ich in dieser Nacht kaum ein Auge zu. Mein ganzes Leben zog an mir vorüber. Ich sah mich als kleines Mädchen mit meinen Eltern, meinen Brüdern und meiner Schwester; danach als junge Frau mit Abdel und anschließend mit Hussein. Ich dachte an all die Rückschläge, die wir nach unserer Abreise aus Algerien erlitten hatten – immer in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ich ließ die gesamte Zeit vor unserer Ankunft in Kanada Revue passieren und versuchte Bilanz zu ziehen.
    Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Dieses Land war der Ort, nach dem wir so lange gesucht hatten.
    Ich dachte an all die wunderbaren Menschen, die uns völlig uneigennützig geholfen hatten. Da wurde ich mit einem Mal ganz ruhig und schlief ein.
    Am nächsten Morgen war ich als Erste wach und nutzte die Zeit, um ein schönes Frühstück für alle vorzubereiten. Aber nur die Jungen konnten es genießen. Meine Töchter und ich brachten keinen Bissen herunter.
    Caroline hatte sich erboten, uns zu begleiten, und auch meine Freundin Sonia, die ich im Frauenhaus kennengelernt hatte, wollte gegen Mittag zu uns stoßen. Es tat gut zu wissen, dass uns jemand zu Seite stehen würde, falls unser Antrag abgelehnt wurde. Bevor wir aufbrachen, erschienen alle Mitarbeiterinnen und die Leiterin des Hauses und wünschten uns Glück. France hatte Tränen in den Augen. Meine neue Familie stärkte mir den Rücken!
    »Glaub mir, bald wirst du Kanadierin sein!«
    Stumm und bedrückt gingen wir zu der Anhörung – so als könnten wir nur mit einem Verdammungsurteil rechnen.
    Unsere Anwältin wartete bereits auf uns und fragte, wie ich mich fühlte.
    »Ich weiß nicht, aber ich bin fest entschlossen, meine Kinder heil aus dem Schlamassel herauszubringen, in das ich sie gezogen habe!«
    »Mach dir keine Sorgen, wir werden gewinnen«, ermutigte mich Norah.
    Die Anwältin gab uns noch ein paar Verhaltensregeln mit:
    »Bleibt ruhig und seid aufrichtig bei dem, was ihr sagt. Bestimmt wird sich der Richter auch an die Jungen wenden. Deine Kinder müssen ihn einfach rühren, Samia.«
    »Ich werde mein Bestes tun, um ihn zu überzeugen! Es geht um unsere Freiheit! Ich will endlich in Frieden leben und mit meinen Kindern für immer hier bleiben können!«
    »Genau das musst du auch ihm sagen!«
    Die Anwältin lächelte mir aufmunternd zu und deutete auf den Richter, der sich uns näherte.
    »Da ist er. Die Dame neben ihm ist die Beisitzerin. Sie gilt als ebenso streng wie er.«
    Erstaunlicherweise schien mir der Mann eher sympathisch, während die Frau kalt und unnahbar wirkte. Aber ich wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen.
    Also wandte ich mich meinen Töchtern zu, um sie noch einmal zu ermutigen.
    »Bewahrt die Ruhe, und alles wird gut werden! Der Richter und die Beisitzerin scheinen mir ehrenwerte Menschen zu sein, die ihre Arbeit ernst

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