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Der Schnupfen

Der Schnupfen

Titel: Der Schnupfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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da ich in der Reportage als amerikanischer Astronaut auftrat, man hatte Annabellas Namen genannt, der >bezaubernde Teenager< warte auf einen Brief seines Retters. Es war zwar nicht direkt gesagt, doch konnte man zwischen den Zeilen eine Anspielung auf die aus der Tragödie entstandenen romantischen Gefühle lesen.
    Kalte Wut packte mich. Ich kehrte auf der Stelle um,
    drängte mich brutal durch die Menge im Foyer, brach in das Direktionszimmer ein und überschrie die dort gleichzeitig redenden Menschen. Ich verwertete mein Heldentum und warf dem Direktor den >Paris Match< auf den Tisch.
    Noch heute wird mir ganz heiß vor Scham, wenn ich an diese Szene denke. Ich erreichte mein Ziel. An dermaßen heldenhafte Astronauten nicht gewöhnt, gab der Direktor auf und stellte mir das einzige Zimmer zur Verfügung, das er noch hatte. Er schwor, das sei wirklich das letzte, denn die Anwesenden bedrängten ihn wie eine Meute Hunde, die man von der Leine gelassen hat. Ich wollte meine Koffer holen, aber man teilte mir mit, das Zimmer würde erst um elf Uhr frei, und jetzt war es acht. Ich ließ mein Gepäck in der Rezeption und war Herr über drei Stunden in Orly. Doch bald bedauerte ich meinen Schritt. Und da es Konsequenzen haben konnte, wenn sich unter den anderen Passagieren ein Journalist befand, beschloß ich, mich bis elf vom Hotel fernzuhalten. Ins Kino wollte ich nicht gehen, Abendbrot essen auch nicht, folglich machte ich eine Dummheit, wie ich sie schon einmal in Quebec vorgehabt hatte, als der Start wegen eines Blizzards verschoben wurde. Ich begab mich an das andere Ende des Terminals zum Friseur und forderte alles, was er zu bieten hatte. Der Friseur war Gascogner, ich verstand wenig von dem, was er zu mir sagte, aber entsprechend meinem Beschluß beantwortete ich jeden seiner Vorschläge mit >ja<. denn sonst hätte er mich aus dem Sessel herauskomplimentiert. Haarschneiden und -waschen gingen noch einigermaßen normal vonstatten, aber danach kam er in Schwung. Er suchte in dem Transistor zwischen den Spiegeln einen Rock and Roll, schaltete auf volle Lautstärke, krempelte sich die Ärmel hoch, klopfte mit dem Fuß den Takt, als wollte er steppen, und machte sich an mir zu schaffen. Er schlug mich ins Gesicht, zupfte an meinen Backen, kniff mir ins Kinn, klatsch-te mir dampfende Kompressen auf die Augen, machte ab und zu in diesen scheußlich heißen Knebeln ein Loch, damit ich nicht vorzeitig erstickte, fragte etwas, das ich nicht verstand, weil er mir nach dem Haarschneiden die Watte nicht wieder aus den Ohren genommen hatte. Ich antwortete »ca va, bien«, da stürzte er zu seinen Schränkchen nach neuen Flakons und Cremes. Eine geschlagene Stunde saß ich bei ihm. Gegen Schluß kämmte er mir die Brauen, schnitt sie gerade, trat mit gerunzelter Stirn einen Schritt zurück, holte aus einem besonderen Fach einen goldenen Flakon, hielt ihn mir hin wie eine Flasche edlen Wein, schmierte sich ein grünes Gelée in die Hände und rieb es mir in den Skalp. Die ganze Zeit über redete er mit betäubender Geschwindigkeit und versicherte mir, von nun an könne ich beruhigt sein, ich würde bestimmt keine Glatze bekommen. Nachdem er mir mit energischen Bewegungen das Haar ausgebürstet hatte, riß er alle Handtücher und Kompressen an sich, nahm mir die Watte aus den Ohren, pustete auf zugleich zarte und intime Weise in jedes hinein, umgab mich mit einer Puderwolke, knallte mir mit der Serviette vor der Nase herum und verbeugte sich würdevoll.
    Er war mit sich selbst zufrieden. Die Haut schrumpfte mir auf dem Kopf, die Backen brannten, ich erhob mich betäubt, gab ihm zehn Francs Trinkgeld und ging. Es blieben noch anderthalb Stunden, bis ich mein Zimmer beziehen konnte.
    Ich begab mich zur Besucherterrasse, um der Nachtarbeit auf dem Flugplatz zuzusehen, aber ich verfehlte den Weg. Im Terminal wurden irgendwelche Bauarbeiten verrichtet, ein Teil der Rolltreppen war mit Kordel abgesperrt, in den Schächten darunter trieben sich Monteure herum, ich verirrte mich und geriet in eine Menge, die zur Abfertigung eilte. Exotische Militärs, Nonnen in gestärkten Hauben, hochbeinige Neger, wahrscheinlich eine Basketballmann-
    schaft. Am Ende dieses Zuges schob eine Stewardeß einen Rollstuhl, darin saß ein Greis mit dunkler Brille und einem zottigen Bündel, das von seinen Knien heruntersprang und auf mich zukroch. Es war ein Affchen in grünem Jäckchen und mit einem Mützchen auf dem Kopf. Es blickte mich von unten mit

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