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Der Schnupfen

Der Schnupfen

Titel: Der Schnupfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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kurzer Schmerz, und ich konnte mich aus eigener Kraft vom Tisch erheben und mich überzeugen, daß es mir wirklich sehr viel besser ging. Eine halbe Stunde mußte ich noch bei ihm liegen, dann kaufte ich in der nächsten Filiale der Air France ein Ticket für das Abendeiugzeug. Ich versuchte, mit Randy Verbindung zu bekommen; da er nicht im Hotel war, hinterließ ich eine Nachricht für ihn. In Garges fiel mir ein, daß ich nichts für Pierre mitgebracht hatte, ich versprach ihm deshalb, ihm aus den Staaten meinen Helm zu schicken, nahm von der ganzen Familie Abschied und fuhr nach Orly. Dort ging ich zu Fleurop, um Blumen an Frau Barth senden zu lassen, und setzte mich dann, mit amerikanischen Zeitungen wohl versehen, in den Warteraum. Ich saß und saß, aber man rief die Passagiere nicht zum Einsteigen auf. Unsere Sache schien mir der Vergangenheit anzugehören. Ich wußte nicht, was ich machen sollte, und versuchte ohne rechten Erfolg, diesem Nichtwissen ein bißchen Glanz zu verleihen. Inzwischen war die Startzeit vorüber, aus dem Lautsprecher aber tönten nur irgendwelche unklaren entschuldigenden Worte. Schließlich kam eine Stewardeß aus dem Büro und teilte bedauernd mit, Rom nehme keine Maschinen an. Heftiges Hin- und Herlaufen und Telefonieren begann, bis sich zeigte, daß Rom zwar die amerikanischen Maschinen sowie die von Alitalia und BEA annahm, daß aber Swissair, SAS und meine Air France ihre Abftüge einstellten. Es handelte sich anscheinend um eine selektive Streikform des Bodenpersonals, doch kam es nicht darauf an, die Ursache des Streiks festzustellen. Alles stürzte vielmehr zum Umtausch der Tickets zu den Schaltern, um mit solchen Linien zu fliegen, deren Maschinen in Rom landen konnten. Ehe ich mich zu einem Fensterchen durchgedrängt hatte, waren alle Flugkarten von den besser Orientierten aufgekauft. Als nächster erreichbarer Flug wurde mir eine Maschine der British European Airways zu einer entsetzlichen Zeit angeboten, zwanzig Minuten vor sechs Uhr früh. Was sollte ich machen? Ich ließ mein Ticket auf diese Maschine umbuchen, packte meine Koffer auf einen Karren und schob ihn zum Hotel der Air France, wo ich nach meiner Ankunft aus Rom übernachtet hatte. Hier erwartete mich die nächste Überraschung. Das Hotel war bis zum letzten Bett mit Passagieren gefüllt, die genauso festsaßen wie ich. So zeichnete sich die Notwendigkeit ab, in Paris zu übernachten und vor vier Uhr aufzubrechen, um das Flugzeug zu erreichen. Eine Rückkehr nach Garges hätte nichts eingebracht, denn Garges liegt im Norden und Orly im Süden von Paris. Ich drängte mich durch die Menge der Enttäuschten zum Ausgang, um das Weitere zu überlegen Gewiß, ich konnte meine Abreise um einen Tag verschieben, hatte aber ganz und gar keine Lust dazu. Es gibt nichts Schlimmeres als solch ein Hinauszögern. Ich rang noch in Gedanken, als der Mann vom Kiosk mit einem Packen Zeitschriften heraustrat, um sie auf dem Ständer
    davor anzubringen. Der neue >Paris Match, fiel mir auf.
    Vom schwarzen Umschlag blickte mich ein Mann an, der in der Luft hing wie ein Turner bei der Flanke. Er trug Hosenträger, vor seiner Brust hielt er ein Kind, dessen Haare im Schwung wehten, während der Kopf zurückgebogen war, als machten sie zusammen einen Zirkussalto. Ich traute meinen Augen nicht und trat näher. Das waren An-nabella und ich. Ich kaufte die Nummer, sie öffnete sich von selbst bei dem Exklusivbericht aus Rom. Quer über die Aufnahme der zerschmetterten Rolltreppe voller Menschenleiber lief über die ganze Seite die große Inschrift: WIR STERBEN LIEBER VON VORN. Ich überflog den Text.
    Sie hatten Annabella gefunden. Ich sah auf der nächsten Seite ein Bild von ihr und ihren Eltern, aber mein Name fehlte. Die Aufnahmen stammten von dem Magnetovid, das jede durch das Labyrinth fahrende Passagiergruppe registriert. Daran hatte ich nicht gedacht, außerdem hatte man mir Diskretion zugesichert. Noch einmal sah ich den Text durch. Dort war eine Zeichnung, die die Rolltreppe darstellte, die Explosionsstelle und den Detonationstrichter, Pfeile zeigten, von wo aus und wohin ich gesprungen war. Dann gab es eine Vergrößerung des Titelbildes mit einem karierten Armel zwischen meinen Hosenbeinen und dem Geländer. Die Unterschrift besagte, es sei der abgerissene Arm des Attentäters. Ich hätte gern mit dem Journalisten gesprochen, der das geschrieben hatte. Was hat ihn gehindert, meinen Namen zu nennen? Man hatte mich identifiziert,

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