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Der Schrecken Gottes: Attar, Hiob und die metaphysische Revolte (German Edition)

Der Schrecken Gottes: Attar, Hiob und die metaphysische Revolte (German Edition)

Titel: Der Schrecken Gottes: Attar, Hiob und die metaphysische Revolte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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unser Tun zur Neige geht.
Den Knoten löst du niemals auf,
          Sinn weder im Leben noch im Tod.
Das weiß ich nur, soviel ich mich drehe, drehe, drehe,
          Daß ich nichts weiß, nichts weiß, nichts weiß und nichts.
          (11/2, 150)
    Wer auf die Wallfahrt geht, wandert durch die halbe Welt zur Kaaba, nur damit er sich dort im Kreis dreht (12/4, 151). Auch Hausmittel helfen nicht gegen die Verwirrung: Ein Bauer bindet sich einen Kürbis um das Bein aus Sorge, im Schlaf verloren zu gehen. Ein Spaßvogel kommt des Weges, stibitzt den Kürbis und bindet ihn sich ums eigene Bein. Der Bauer wacht auf und weiß nicht, ob er er selbst ist oder der andere (23/4).
Schaum hier, Schaum dort, und du? Eine Blase nur.
          Ist’s dir an Würde zu wenig? Glaubst du, es gäb’ mehr?
Am Ende heißt’s: Geh’, ohne zu ahnen,
          Was war, was wird, was werden sollte.
Am Anfang weißt du nicht, was vorher war.
          Wenn’s aufhört, weißt du nicht, was dich erwartet.
Bin zwischen diesem und jenem, bin weder jenes noch dieses,
          Ohne Ahnung von Leib und Seele, bin weder dieses noch jenes.
Ein Ketzer von Natur, mein Glaube schwach,
          Triebe siegreich, Gelüste stark, das Herz zerbrechlich.
Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun? Hab’ soviel gesucht.
          Verwirrung war schon, nun hat sich zu ihr noch die Liebe gesellt.
Ratlos steh’ ich in der Zeit, sehnsüchtig ohne Hoffnung,
          Eifersüchtig gar auf der Ameise Flügel.
Weiß nicht, woher kommt es, wohin geht es, was ist es?
          Arm mein Verstand, an Liebe überreich die Seele.
Weiß nichts, schon seit ich zu wissen begann,
          Und wenn ich alles wüßte, wüßt’ ich dennoch nichts.
Mein Wissen ist nichts als das Unwissen selbst,
          Und mein Unwissen nichts als meine Verwirrung,
Mein irres Streunen ist mir zur Starre geworden,
          Und meine Erstarrung zum Tod. (17/6, 186)
    Auch die Tiere sind nicht ausgenommen von jener «Wahrheit», die Schopenhauer auf einen Nenner bringt: «wir sollen elend seyn, und sind’s.»[ 32 ] Seit er sich in Salomo verliebt hat, klopft der ruhelose Specht Tag und Nacht mit dem Schnabel an die Bäume, ob das Holz nun weich ist oder hart. Salomo hat nämlich versprochen, ihn zu erhören, wenn er ihm ein Holz bringe, das weder trocken sei noch naß, weder gerade noch krumm. Wie der Specht suchen auch die Menschen nach einem Holz, das es nicht gibt.
Hör’ auf, dies Holz zu suchen,
        Wirf die Suche fort.
Solch’ Holz wird es nie geben.
        Begnüg’ dich mit seinem Namen. (12/5, 152)
    Es gibt keinen Sinn. Übrig bleibt jener letzte «Spinnefaden von Trost», den später Nietzsche bei Schopenhauer entdeckte, «eben das sei der Sinn der ganzen Geschichte, daß sie hinter ihre Sinnlosigkeit kommt».[ 33 ]
    – Was die Menschen unglücklich macht, ist die Frage nach dem Grund, sagt fröhlich ein Narr: Ich dagegen gehöre glücklicher zur Welt der Grundlosigkeit. Auf dem Weg der Grundlosigkeit hat man mich hergebracht, mit meinem Irrsinn hat man mir Glück verliehen. Wer immer in die Grundlosigkeit des Wahrhaften gefallen ist, dem wird das Glück des Absoluten ewig zuteil. (8/2, 119)
    Selig sind die Resignierten, die Verrückten: Ein Narr wirft genüßlich alle Scheiben eines Glaserladens in Bagdad ein und freut sich am Krach. Man hält ihm den Schaden für den Besitzer vor.
    – Das Gekrache und Geklirre hat mir einfach Spaß gemacht, antwortet der Narr: Und weil es mir Spaß gemacht hat, hab’ ich’s getan. Mit Schaden und Nutzen einer Tat habe ich nichts mehr zu tun. (8/4, 120)
    Glück blitzt auf, wo keine Hoffnung mehr ist: Ein Mörder wird zum Tod verurteilt. Auf dem Weg zum Richtplatz ist er bester Laune.
    – Wie kannst du nur so fröhlich sein, wo du gleich stirbst?
    – Wenn das Geschick mir nur noch so kurze Zeit zum Leben gelassen hat, wäre es doch töricht, sie auch noch in Traurigkeit zu verbringen. (16/4, 177)
Und stürzte auch der Himmel auf die Erde
          Bleib du bedacht, fröhlich zu bleiben. (8/3, 120)
    Ein Narr führt den Beinamen «Schön» (ḫoš), weil er zu allem, was er sieht und was ihm geschieht, stets nur sagt: «Schön, schön.» Selbst, als sein Haus einstürzt und seine Frau und Kinder tot unter sich begräbt, sagt er:

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