Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
seit 2005 von McKee geschieden. Das ist jetzt drei Jahre her. Vielleicht hatte sie inzwischen den einen oder anderen Freund, aber irgendwie habe ich eher den Eindruck, dass sie sich auf die Kinder konzentriert. Sie hat zwei. Einen fünfzehnjährigen Sohn, und das Mädchen ist ein Jahr jünger. Sie macht sich Sorgen um die beiden. Sie muss mit ansehen, wie er die Kinder jedes zweite Wochenende abholt, und wahrscheinlich wartet sie mehr oder weniger nervös, bis sie wieder nach Hause kommen. Ihr ist klar, dass er ein Ekelpaket ist. Ich vermute, sie ist aus denselben Gründen so lange mit ihm zusammengeblieben, aus denen auch andere Paare sich nicht trennen. Gewohnheit, Berechenbarkeit, finanzielle Sicherheit und die Tatsache, dass er – was auch immer er im tiefsten Inneren darstellt – der Vater ihrer Kinder ist. Wissen Sie, einiges davon traf auch auf Clare und mich zu. Egal, ich denke jedenfalls, dass sie froh war, ihn loszuwerden, nur dass sie ihn nicht wirklich losgeworden ist. Und all die Ängste um ihre Kinder, die sie vielleicht schon länger hatte, sind durch unser Auftauchen wieder an die Oberfläche gekommen.«
»Fühlen Sie sich verantwortlich für ihre Gefühle?«
»Für ihre Sorgen fühle ich mich ein Stück verantwortlich, ja. Aber gleichzeitig werde ich den Eindruck nicht los, dass sie von mir erwartet, dass ich diese Angelegenheit in Ordnung bringe.«
»Aber dafür sind Sie doch tatsächlich verantwortlich, Frank.«
»Ja, natürlich, aber nur, wenn er wirklich der Täter ist. Nur falls McKee unser Mann ist, kann ich ihr die Sorgen nehmen. Wenn nicht, dann muss sie weiter mit ihm klarkommen und kann an diesem Zustand auch nichts ändern. Und im allerschlimmsten Fall ist er zwar der Täter, aber wir schaffen es nicht, ihn festzunageln, und irgendwann macht er sich an die Tochter heran.«
»Aber Sie sind sich sicher, dass er dahintersteckt.«
»So sicher, wie man nur sein kann. So sicher, wie es in diesem Job möglich ist. Ich bin überzeugt, dass er entweder der Täter ist oder – was ich für wahrscheinlicher halte – jemand, der sich für den Mörder um den Nachschub kümmert.«
»Habe ich es richtig verstanden, dass Sie einen Beweis dafür gefunden haben, dass eines der Mädchen beim Sadomaso-Sex gefilmt wurde?«
»Ja.«
»Und die anderen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht lief es bei ihnen auch darauf hinaus. Ich glaube, es geht letztlich um Snuff-Filme. Ich glaube, dass sie vor laufender Kamera getötet wurden. Dieser Film, in dem Jennifer zu sehen war – ich vermute, dass eine geschnittene Version für den breiten Markt in Umlauf gebracht wurde und dass außerdem irgendwo der komplette Film kursiert, der tatsächlich den Mord zeigt.«
»Sprechen wir noch mal über seine Exfrau. Wie heißt sie?«
»Carole. Carole Paretski.«
»Fühlen Sie sich zu ihr hingezogen?«
»Himmel, nein. Warum, zum Teufel, fragen Sie so etwas?«
»Frank, regen Sie sich nicht auf. Denken Sie einfach mal einen Moment nach. Fühlen Sie sich zu ihr hingezogen?«
»Hingezogen? Lassen Sie uns davon gar nicht erst anfangen, hm? Ich will einen Fall aufklären, weiter nichts. Ich mache mir Sorgen, wie es ihr geht. Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, dass sie die Angst um das Wohlergehen ihrer Kinder mit sich herumschleppt.«
»Fühlen Sie sich von ihrer Verletzlichkeit angezogen?«
»Verdammt, das ist ein bisschen tiefgründig für diese Uhrzeit, finden Sie nicht?«
»Hören Sie zu, Frank. Ich glaube, dass wir ein Stück vorangekommen sind. Ob Sie das auch so empfinden, weiß ich nicht, und ich werde Sie auch nicht danach fragen, aber insgesamt wirken Sie auf mich ein bisschen weniger angespannt. Sie kommen mir ein bisschen weniger verkrampft vor. Sie sprechen nicht über Ihre Exfrau oder Ihre eigenen Kinder. Sie sprechen jetzt über Dinge, die außerhalb Ihrer unmittelbaren persönlichen Umgebung liegen. Über die Fälle, an denen Sie arbeiten, und darüber, wie Sie in diesem speziellen Fall vorankommen. Und jetzt bringen Sie Ihre Sorgen um jemanden zum Ausdruck, den Sie als Opfer dieser furchtbaren, ganz und gar schrecklichen Situation betrachten. Mir scheint, das hat etwas zu bedeuten, Frank.«
»Und was könnte das wohl sein, Doktor Marie?«
»Seien Sie nicht sarkastisch, Frank, bitte.«
»Schon gut, schon gut. Was hat es Ihrer Meinung nach zu bedeuten?«
»Für mich bedeutet es, dass wir möglicherweise dabei sind, die Kurve zu kriegen. Die Menschen, die zu mir kommen, sprechen zunächst einmal über
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