Der Schreiber von Córdoba
des Hauses.
Es ist ein schönes Haus, müsst ihr wissen:
so stattlich wie alle in unserer Straße.
Aber es gehört uns nicht mehr.
Als die Altchristen
uns aus Córdoba vertrieben, sagte Papa:
»Wir haben keine Wahl.«
Er wusste von einem Ort namens Gibraltar.
Wir verkauften unser schönes Haus und liefen
um unser Leben.
Als wir zurückkehrten,
stand das Haus noch.
Wir hatten Glück –
es waren nur noch wenige in unserem Viertel.
Aber es war auch der Mann noch da,
der es gekauft hatte.
Er wollte es uns nicht wiederverkaufen –
schon gar nicht für die paar Kröten, die er bezahlt hatte.
Aber er vermietet uns
diese vier kleinen Zimmer
– unsere Werkstatt mit eingerechnet –
zu einem anständigen Preis.
Sollten wir, frage ich mich,
Gott danken
für diesen Segen?
Warum?
Während der Unruhen
griff die ganze Stadt
das Viertel der Neuchristen an.
Hunderte von Conversos
– Menschen wie wir – wurden getilgt
vom Antlitz der Erde.
Ich war erst vier. Mama erzählt mir,
wir seien auf der Flucht aus Córdoba nur nachts
unterwegs gewesen. Am Tag versteckten wir uns.
Wer blieb und standhielt, wurde angegriffen.
Mit Knüppeln geschlagen.
Mit Fäusten und Steinen.
Ein Mann, von dem wir hörten,
wurde von einem Karren mitgeschleift, bis er tot war.
Warum also wiederkommen?
Gute Frage.
Wir blieben nur sechs Monate
in Gibraltar.
Mama sagt bloß:
»Es ging nicht.«
Es muss schlimm gewesen sein,
wenn es schlimmer war als hier.
Jetzt sind wir nur noch Diener
in unserem eigenen Haus.
Fell
Es ist seltsam.
Ich erinnere mich noch an ein Erlebnis
während der Unruhen – so lebendig,
als hätte ich es heute Morgen gehabt
und nicht vor zehn Jahren.
Ich bin bedeckt von weichem, warmem Fell.
Ich denke, dass jemand – ein Altchrist, der zaubern kann? –
mich vielleicht
in ein Kaninchen verwandelt hat.
Das erzähle ich jetzt Mama,
mit brennendem Gesicht. Ich bin fünfzehn!
Und dann so ein Babykram,
an den ich mich zu erinnern glaube.
Aber die Sache geht mir nicht aus dem Kopf.
Sie starrt mich mit offenem Mund an.
»Isidor«, ruft sie,
»komm her und hör dir das an.«
Papa gesellt sich zu uns.
Mama erzählt mir, was damals geschah.
Eine Dame, Altchristin,
sah uns von ihrem Fenster aus.
Wir kauerten in einem Graben.
Tapfere Seele, sie kam heraus.
»Folgt mir«, flüsterte sie.
Sie versteckte uns in einem riesigen Kleiderkoffer,
den ganzen Tag, ließ ihn einen Spalt offen,
damit wir Luft bekamen.
Ich erinnere mich nur noch
an das Gefühl von Fell.
Sie schütteln die Köpfe.
»Ist es nicht – beinahe – lustig?«, fragt Papa.
»In ein Kaninchen verwandelt!«
Wir sitzen da und starren
einander an.
Das Lachen bleibt aus.
Die Schreiber in ihren Werkstätten
Nicht jeder Schreiber
lebt in einer so kleinen Welt.
Manche Bücher werden
von einem ganzen Heer von Händen gemacht.
Ich habe von einer Bibel gehört, in Latein,
für die dreiundfünfzig Meister einen
ganzen Winter gebraucht haben. (Sie war für die Königin.)
Zehn Buchmaler haben
allein die verzierten Buchstaben
gezeichnet und mit Goldtinte ausgefüllt,
mit denen jede Seite beginnt.
Ich beklage mich nicht.
Ich habe gelernt, es so zu mögen.
Papa und ich, über unsere Pulte gebeugt.
Wir teilen die Werkzeuge, sprechen dieselbe Sprache
und haben einen gemeinsamen Feind: den Sonnenuntergang.
Mama kann nicht richtig lesen,
aber sie hilft.
Schrappt das Pergament mit einem Stein,
damit es geschmeidig und weich ist für unsere Tinte.
Manchmal zieht sie die Linien
für unsere Buchstaben. Ihre Hand zittert nie.
Ein stiller Kampftrupp von drei Personen: Papa, Mama und ich.
Sechs Tage in der Woche, ich liebe es.
Aber ein Teil von mir – vielleicht der Teil des siebten Tages –
träumt von einem ganz anderen Leben.
Von Rittern und Entdeckungsreisenden
und wie in aller Welt
ich je einer werden könnte.
Bücherwurm
Papa liebt nicht nur
das Auf und Ab, Hin und Her im Schwung
des Wörterabschreibens.
Jeden Morgen ist er schon
lang vor den Vögeln auf
und bohrt seine Augen in Bücher.
Er muss jede Seite lesen,
ehe sie abgeschrieben wird.
Wenn wir mit dem Buch fertig sind,
segelt es wieder zur Tür hinaus –
und aus unserem Leben.
Selbst zehn Jahre nach den Zeiten
– wie wir die Unruhen nennen –
läuft das Geschäft nicht wie früher, sagt Mama.
Zwar sind unsere Tage randvoll mit Wörtern,
aber eigene Bücher können wir uns nicht leisten.
Nichts
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