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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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Wilnow. Es war der „bestimmte Tag“. Er hatte lang schon gewartet auf sie und war auf den Hochstand geklettert, den er sich hier hatte bauen lassen, als dies alles noch sein Eigentum gewesen war: der Wald, die Jagd, der Gutshof; nun endlich war sie gekommen. Als ein Schatten beugte er sich vor, und Susanna, schattenhaft auch, spürte nur den Geruch von Leder und den Griff der warmen Hand, die sie hochzog zwischen den sperrigen Ästen. Aber ihr war es genug. Er dagegen: ach, dieses Warten, – er mußte es erst loswerden in Reden, – Warten, Alleinsein, und ich sorge mich schon, daß etwas passiert ist mit dir! Aber hier warte ich wenigstens auf dich, und wenn du nur kommst.
    Er schöpfte Atem. Drunten in der Mühle, als du noch dahin konntest, war mir leichter! Aber jetzt, den ganzen Tag sitze ich da unten und brüte vor mich hin, und komme mir manchmal schon vor wie mein eigener Geist. Und wenn mir dann der Müller erzählt, auf dem Gutshof bringen sie die Maschinen weg, alle Maschinen, und ich kann nicht hin, kann nichts tun dagegen!
    Susanna, so sehr sie sichs nahegehen ließ, lächelte. Sie kannte diese ein wenig geschraubten Redewendungen. Aber nun sprach Axel weiter:
    Und wenn ich dann an dich denke, – wo ist sie jetzt, frag ich mich, hat sie auch Ruhe, hat sie vielleicht Nachricht, – und ich weiß nichts, dann kommst auch du mir wie ein Geist vor, Susanna!
    Er war verzweifelt wie immer, wenn er die Woche allein gewesen war. Sie sagte: Aber ich bin doch gekommen! Und du weißt es doch, ich halt zu dir! Du kennst mich doch!
    Kenn ich dich wirklich?
    Aber du hast mich doch!
    Hab ich dich wirklich?
    Sie konnte ihn im Finstern nicht sehen, aber nun fühlte sie seine Hand auf ihrem Gesicht wie die unsichere Hand eines Blinden, der alles betastet, die Augen, den Mund, es tat ihr weh, eine Berührung wie Mißtrauen. Dann aber spürte sie die Wärme der Hand, da war es wieder vorbei.
    Ich habe dir etwas mitgebracht, sagte sie, – sie gab ihm ein Päckchen von Koljas Zigaretten.
    Ah, woher hast du die?
    Sie zögerte. – Es waren – ja, es waren Soldaten auf dem Hof. Bemelman hat Schnaps getauscht.
    Axel nahm die Zigaretten. Sie suchte nach Streichhölzern.
    Bist du mir böse? Ich konnte nicht früher.
    Die kleine Flamme brannte vor seinem Mund.
    Nein, Susanna, nicht böse. Nur – ich kann dir niemals etwas geben. Ich komme immer mit leeren Händen.
    Sie fuhr ihm über die Schläfe. Nun belebte ihn das Rauchen. Einmal wird es anders werden, das schwöre ich dir, ich komme durch, ich fange eines Tags wieder an, ich fange überhaupt erst richtig an!
    Da klang es doch so, als rede er von sich allein, von seiner Zukunft, er machte sich sein Leben, er hatte Susanna vergessen. Aber dann wandte er sich ihr zu:
    Du wirst es sehen, und wenn du nur zu mir hältst, ich muß dich haben dazu!
    Ja.
    Wenn dein Mann zurückkommt, – was wirst du ihm sagen?
    Sie antwortete nicht.
    Er fragte: Kommen die öfter, ich meine, die Soldaten?
    Hie und da.
    Aber du hast doch Ruhe droben?
    Ja, im ganzen Ruhe!
    Oder stellt dir wieder einer nach? Wenn ich an den Kapitän denke im Dorf …
    Nein, droben ist Ruhe! – Sie dachte nicht an den Kapitän, sondern an Kolja. Aber Axel sprach von dem Kapitän. Ich habe es dir nicht gesagt, aber mich hat das zur Raserei gebracht damals …
    Aber wieso der Kapitän? Ich versteh dich nicht. Diese alte Geschichte, – und ich bin froh, daß mir dabei nicht mehr passiert ist, als daß er mich ausgewiesen hat, und jetzt habe ich doch Ruhe!
    Einen Augenblick überlegte sie, ob sie ihm von Kolja erzählen sollte. Aber dann lehnte sie sich an ihn, fest und sanft zugleich, und er erriet nichts von ihren Gedanken.
    Nicht immer ging es so freundlich ab, daß sich Kolja nach seinem Trinken und Reiten an der Seite der Frau besänftigte. Manchmal hatte er Schnaps mitgebracht und trank zwischendurch aus der Flasche und dann fing er an, wütend herumzustampfen, und schrie: Ich bin gut zu Ihnen! Ich bin gut zu Ihrem Kind! Sie sind auch gut! Warum wollen Sie mich nicht! – Dann erschrak Susanna vor seinen weitaufgerissenen weißen Augen und vor dem Rohen, Wilden in diesem Blick, der wie aus unbekannter und sprachloser Welt auf sie zukam. Aber es endete doch immer damit, daß Kolja sich auf sein schönes Pferd schwang und starr lächelnd und breit davontrabte, über den Hügel hinunter, über die Wiesenmulde, bis ihn die Fichtenwand zauberisch verschluckte. Vielleicht spähte er von dort noch herauf. Die zwei

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