Der Schritt hinueber - Roman
er auf seinem Schimmel saß, merkte es ihm niemand an, ein bißchen breit und schlaksig wackelte er dahin, aber reiten konnte er besser als mancher andere. Aber nun, als er stumm an der Holzhütte lehnte und auf die Frau niedersah, lächelte er bloß und scheuchte mit einem Schilfblatt die Fliegen fort. Immer trug er bei sich ein Schilfblatt, wie sie am Waldrand drunten in der Sumpfwiese wuchsen, oder auch kramte er farbige Kugeln hervor und hielt sie dem Kind hin. Sein junges Gesicht dampfte rosig, seine blonden Haare klebten zusammen, seine blassen Lippen waren trocken und aufgesprungen, seine Brauen und Wimpern waren beinahe weiß, auch seine Augäpfel waren von eigentümlichem weißen Blau, als ob sie aus dünner Milch wären. Die Wimpern zuckten wie Flimmerhaare eines Insekts, die Milchaugen sahen immer nur auf die Frau. Er ließ keine Bewegung und Regung an ihr frei. Und wie er nun redete und bei jedem Wort ungeschickt ausfuhr, zu einer zärtlichen Gebärde drängte, ihr das Haar zu streicheln oder nach ihrer Hand zu greifen, und es dann nicht wagte, sondern die Luft in ihrer Nähe angriff, als wäre sie ein Gegenstand, da kam doch deutlich heraus, daß er betrunken war.
Kosanna, sagte er, warum wollen Sie mich nicht? Ich bin doch gut, ich bin nicht wie die andern, ich rühre Sie nicht an!
Die Frau schüttelte den Kopf. Kolja, was denken Sie! Sie sind jung, Sie sind einundzwanzig Jahre. Ich bin zu alt für Sie!
Kolja beteuerte: Sie sind noch immer ganz jung. Eine junge schöne Frau. Jung genug für mich!
Aber Sie sehen doch, Kolja, ich habe hier meinen kleinen Sohn!
Ich werde gut sein zu dem Sohn, Kosanna, ich bin gut zu Kindern!
Aber Kolja, ich habe doch schon einen Mann!
Ihr Mann, oh, Ihr Mann, wo ist Ihr Mann, Kosanna.
Dieses Gespräch über Herrn Jorhan kannten die beiden Flüchtlinge schon. Es wiederholte sich jeden Tag, wenn Kolja an der Holzhütte stand. Er wird kommen, sagte Susanna, eines Tages wird er heimkommen, ich muß auf ihn warten. Und Kolja sagte: er wird nicht kommen, da wird keiner mehr kommen. Und er bohrte herum mit Fragen: wann hat er zuletzt geschrieben, wo ist er zuletzt gewesen, oh, ich weiß es, Ihr Mann kommt nicht mehr!
Er kommt, Kolja! Und wenn Sie mich erzürnen wollen, ich will Ihnen etwas sagen, vielleicht habe ich schon Nachricht von ihm, vielleicht lüge ich die ganze Zeit schon und habe längst Nachricht, und er versteckt sich bloß vor Ihnen!
Kolja sprang auf, er bleckte mit den Zähnen. Aber dann gab er nach und setzte sich sogar und besänftigte sich zu einem flehenden Blick aus den Milchaugen, als ob ihm vor Kummer Tränen kommen wollten, – da erst sagte die Frau:
Nein, ich habe keine Nachricht, Kolja. Aber Sie werden sehen, er kommt. Er muß kommen, bald, Kolja. Ich muß auf ihn warten!
Sie werden warten, Kosanna, aber es wird kein Mann kommen. Sie werden warten und keinen Mann haben. Jetzt können Sie mich haben, jetzt kann ich Ihr Mann sein. Ich bin doch gut, Kosanna, ich bin zu Ihnen gut.
Aber es begegnete ihm nur unerbittlich sanfter Widerspruch. Susanna nahm von Kolja das weiße Brot und den Zucker, den er in einer feuchten Tüte mitgebracht hatte; sie war froh, daß sie Zucker bekam für ihr Kind. Sie rauchte auch eine von Koljas langen Zigaretten mit Mundstück; es gefiel ihm, daß sie rauchte. Ihr gefiel es, daß er das Kind aus dem Ställchen nahm und es auf den Knien schaukelte, geduldig, lächelnd, einfallsreich, es zu unterhalten; und es gefielen ihr auch seine weißen Wimpern und seine bläulich-weißen Augen, die wie Milch oder Eis waren. Manchmal sah sie ihn lange an, dann kam er ihr vor wie ein Wesen, das noch nicht ganz Mensch geworden ist; Kolja mit dem Schimmel, stumm blickend, aus einem anderen Land. Aber als er nun nach Worten suchte und es endlich hervorbrachte: So werden wir zuhause sein bei mir – mit dem Kind! antwortete ihm wieder nur die abweisende Person:
Ich versteh doch nichts von Ihrem Zuhause!
Oh, du Liebe, Sie werden alles lernen! – Kolja, geduldig, erzählte ein wenig von seinem fernen Zuhause. Aber was er dort war und arbeiten wollte, konnte er nicht sagen. Es war zu schwierig. Er zählte auf: Vater, Mutter, Schwester. Susanna hörte: er war zur Schule gegangen, und dann – sie verstand nicht das Wort, aber sie übersetzte es sich so: von der Schule war er auf die Kadettenanstalt gekommen. Sie dachte: und von da in den Krieg gezogen, und nun ist er einundzwanzig.
Am Abend traf sie sich unten am Waldrand mit Axel von
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