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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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sicher?«
    »Ganz sicher. Ich glaube, es ist überhaupt keiner im Haus.«
    »Dann ist er wieder heimlich im Kino gewesen und hat einen Tom-Mix-Film gesehen«, sagte Mrs. Waddington.
    »Er ist doch nicht …«
    »Ja! Er hat einen seiner Anfälle. Er sagt, wenn die Jungs« – Mrs. Waddington schauderte –, »wenn die Jungs ihn nicht im Flanellhemd haben wollen, kommt er überhaupt nicht zum Essen. Und Lord Hunstanton meinte, du sollst zu ihm gehen und ihn zur Vernunft bringen.«
    »Lord Hunstanton? Ist er denn schon da?«
    »Ich habe ihm telefonieren lassen. Lord Hunstanton wird mir von Tag zu Tag unentbehrlicher. Er ist doch ein sehr lieber Mensch!«
    »Ja«, sagte Molly, ein wenig zweifelnd. Sie hegte keine Sympathien für Seine Lordschaft.
    »Er ist so hübsch.«
    »Ja.«
    »Er hat soviel Lebensart.«
    »Das kann schon sein.«
    »Ich wäre sehr glücklich«, sagte Mrs. Waddington, »wenn ein Mann wie Lord Hunstanton dich um deine Hand bitten würde.«
    Molly spielte mit dem Besatz ihres Frisiermantels. Es war nicht das erstemal, daß zwischen ihrer Stiefmutter und ihr die Rede davon war. Eine derartige Bemerkung entsprach Mrs. Waddingtons Vorstellung von einer zarten Andeutung.
    »Na ja …«, sagte Molly.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Na ja, findest du ihn nicht ein bißchen steif?«
    »Steif!«
    »Findest du ihn nicht ein bißchen aufgeblasen?«
    »Wenn du damit sagen willst, daß Lord Hunstantons Manieren vollkommen sind, bin ich einer Meinung mit dir.«
    »Ich weiß nicht so genau, ob es mir sympathisch ist, wenn ein Mann zu vollkommene Manieren hat«, sagte Molly nachdenklich. »Meinst du nicht, daß ein schüchterner Mann ziemlich nett sein kann?« Sie rieb die Spitze des einen Goldschuhs am Absatz des anderen. »Ein Mann, den ich gern haben könnte«, sagte sie mit einem träumerischen Blick, »wäre, glaube ich, so ein etwas zarter, etwas kleiner Mann mit netten braunen Augen und hübschem kastanienbraunem Haar, der einen so von weitem ansieht, weil er zu schüchtern ist, um mit einem zu sprechen, und wenn er doch Gelegenheit hat, mit einem zu sprechen, würgt er so und wird rot und verrenkt die Finger und macht komische Geräusche und steigt von einem Fuß auf den anderen und sieht eigentlich aus wie ein Lämmchen und …«
    Mrs. Waddington war aufgesprungen und rief:
    »Molly! Wer ist dieser junge Mann?«
    »Aber wieso, niemand natürlich! Das habe ich mir nur so vorgestellt.«
    »Ach so!« sagte Mrs. Waddington erlöst. »Du hast geredet, als ob du ihn kenntest.«
    »Was ist das für eine komische Idee!«
    »Wenn ein junger Mann dich jemals ansieht und komische Geräusche macht, wirst du ihn ignorieren.«
    »Natürlich.«
    Mrs. Waddington bereitete sich zum Gehen.
    »Wegen dieses ganzen Unsinns, den du da geredet hast, habe ich deinen Vater vergessen. Zieh dich sofort an und geh zu ihm hinunter. Bring ihn zur Vernunft! Wenn er nicht zum Dinner kommen will, sind wir dreizehn, und meine Gesellschaft ist verpatzt.«
    »Ich werde in ein paar Minuten fertig sein. Wo ist er?«
    »In der Bibliothek.«
    »Ich werde gleich hinuntergehen.«
    »Und wenn du mit ihm gesprochen hast, geh sofort in den Salon und unterhalte Lord Hunstanton. Er ist ganz allein.«
    »Gut, Mutter.«
    »Mama.«
    »Mama«, sagte Molly.
    Sie war ein nettes, gehorsames Mädchen.
3
    Molly Waddington war aber nicht nur nett und gehorsam, sie war auch eine Künstlerin im guten Zureden. Der beste Beweis dafür ist, daß über die Treppe des Hauses Nummer sechzehn der Neunundsiebzigsten Straße, als die Uhr zehn Minuten nach acht zeigte, ein kleiner Mann mit borstigem grauem Haar und gerötetem trotzigem Gesicht herabkam, der dann in der Diele stehenblieb und dem Hausmeister Ferris einen wütenden Blick zuwarf. Dies war Sigsbee H. Waddington, völlig, wenn auch nachlässig, in der Kleidung, welche die Mode dem Herrn der Gesellschaft für das Dinner vorschreibt.
    Sigsbee Waddington dachte, Ferris sei eine überernährte Warze.
    Ferris dachte, Sigsbee Waddington sollte sich schämen, sich mit einer derartigen Krawatte zu zeigen.
    Doch Gedanken sind nicht Worte. Ferris fragte:
    »Eil Cocktail, Sir?«
    Und Sigsbee Waddington sagte:
    »Ja! Her damit!«
    Nach einer kleinen Pause rief Mr. Waddington:
    »Ferris!«
    »Sir!«
    »Schon mal im Westen gewesen, Ferris?«
    »Nein, Sir.«
    »Wollen Sie mal hin?«
    »Nein, Sir.«
    »Warum nicht?« fragte Mr. Waddington kampflustig.
    »Ich höre, Sir, daß die westlichen Staaten Amerikas sich durch

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