Der schüchterne Junggeselle
hatten?«
»Sir?«
»Über die junge Dame, die ich – äh …«
»O ja, Sir.«
»Ich höre, daß Sie sie gesehen haben.«
»Nur einen Augenblick, Sir.«
»Äh – ziemlich hübsch, Mullett, finden Sie nicht?«
»Außerordentlich, Sir. Sehr knudelig.«
»Genauso würde ich mich auch ausdrücken, Mullett.«
»Wirklich, Sir?«
»Knudelig! Ein schönes Wort.«
»Ich finde auch, Sir.«
George hustete ein drittes Mal.
»Ein Hustenbonbon, Sir?« fragte Mullett besorgt.
»Nein, danke.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Mullett!«
»Sir?«
»Es hat sich herausgestellt, daß Mr. Beamish ein guter Freund dieser jungen Dame ist.«
»Was Sie nicht sagen, Sir.«
»Er wird mich vorstellen.«
»Sehr erfreulich, ganz entschieden, Sir.«
George seufzte träumerisch.
»Das Leben ist sehr süß, Mullett.«
»Für die, die es lieben, Sir – jawohl, Sir.«
»Führen Sie mich zu den Krawatten«, sagte George.
ZWEITES KAPITEL
1
Um halb acht, gerade als George es mit seiner fünften Krawatte versuchte, schritt in dem Boudoir der Neunundsiebzigsten Straße Nummer sechzehn eine Frau auf und ab.
Mrs. Sigsbee H. Waddington war sehr stark; wenn sie nach Karlsbad oder Aix les Bains zur Kur ging, liefen die Autoritäten besorgt zusammen, weil sie nicht recht wußten, ob genug Wasser für sie da sei.
Ihre stets zunehmende Körperfülle war ein ständiger Ärger – nicht der einzige – für ihren Gatten. Als er sie heiratete, war sie nicht nur schlank und zart, sondern auch die Erbin des verstorbenen Käsekönigs P. Homer Horlick gewesen, der ihr etliche Millionen Dollars hinterlassen hatte. Den größten Teil der Zinsen aus diesem Vermögen gab sie, diesen Eindruck hatte wenigstens Waddington häufig, für stärkehaltige Nahrungsmittel aus.
Mrs. Waddington schritt auf und nieder, und bald öffnete sich die Tür.
Der Hausmeister Ferris meldete: »Lord Hunstanton.«
Der Mann, der jetzt eintrat, war groß, schlank und elegant, hatte offene blaue Augen – deren eines mit einem Einglas geschmückt war – und einen gestutzten Schnurrbart. Sein Anzug war von einem inspirierten Schneider geschnitten und von einem Genie gebügelt. Seine Krawatte war einfach ein ätherischer weißer Schmetterling, der über dem Kragenknopf schwebte, als söge er Blumenstaub aus irgendeiner exotischen Blüte. (George Finch, der jetzt an Nummer acht arbeitete und diese aber an vier Stellen zerknittert hatte, würde beim Anblick dieses Binders vor Neid heiser aufgeschrien haben.)
»Also, da bin ich«, sagte Lord Hunstanton. Er wartete einen Augenblick.
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie kommen«, sagte Mrs. Waddington, sich um ihre Achse drehend und keuchend wie ein Hirsch, der eben einen Wasserlauf durchschwommen hat.
»Keine Ursache.«
»Ich wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann.«
»Ist etwas geschehen?« fragte Lord Hunstanton.
Zu seiner eigenen, nicht geringen Überraschung fand er sich um drei Viertel acht in einem Haus, in das er für halb neun zum Dinner gebeten war. Seine Toilette war durch einen telefonischen Anruf von Mrs. Waddingtons Hausmeister unterbrochen worden, der ihn bat, sofort zu kommen; und da er die Aufregung der Hausherrin sah, verlieh er der Hoffnung Ausdruck, es sei kein Unglück mit dem Dinner passiert.
»Etwas Fürchterliches ist geschehen!«
Lord Hunstanton seufzte unhörbar. Bedeutete das kaltes Fleisch mit Gurke?
»Sigsbee hat einen seiner Anfälle!«
»Sie meinen, er ist krank geworden?«
»Nicht krank. Bockig.« Mrs. Waddington schluckte. »Es ist entsetzlich, daß das am Abend einer so wichtigen Dinnergesellschaft passiert, nachdem Sie sich so viel Mühe mit seiner Erziehung gegeben haben. Ich habe hundertmal gesagt, daß Waddington ein anderer Mensch geworden ist, seitdem Sie zu uns kommen. Er kennt jetzt alle Gabeln, und wenn ich ihn auf einen Spaziergang mitnehme, geht er immer an der Außenseite. Und jetzt muß er gerade am Abend meiner größten Gesellschaft einen seiner Anfälle bekommen.«
»Was macht er? Tobt er?«
»Nein. Er trotzt.«
»Warum?«
Ein harter Zug erschien um Mrs. Waddingtons Mund.
»Er schmachtet wieder nach dem Westen!«
»Was Sie nicht sagen!«
»Ja, er schmachtet nach den freien, weiten Flächen des Westens. Er sagt, der Osten sei verweichlicht, und er sehne sich nach den schweigenden Canons, wo die Männer Männer seien. Ich glaube, es hat ihm wieder jemand ein Buch von Zane Grey zugesteckt.«
»Kann man da nichts tun?«
»Ja – mit der Zeit. Wenn
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