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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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ehrfürchtig.
    »Ja.«
    »Mr. Waddington, ich bin stolz darauf, Sie kennenzulernen.«
    »Was sind Sie?«
    »Stolz darauf, Sie kennenzulernen.«
    »Na und?« fragte Sigsbee Waddington grob.
    »Mr. Waddington«, sagte George, »ich bin im Westen geboren.«
    Sigsbee H. Waddington vergaß ganz, daß eines seiner Ohren heftig schmerzte. Der Grimm verschwand von seiner Seele wie der Tau von einer Blume unter dem Sonnenstrahl. Er lächelte George zu und streichelte väterlich seinen Ärmel.
    »Sie kommen wirklich aus dem Westen?« rief er.
    »Ja.«
    »Aus Gottes Land? Aus dem großen wunderbaren Westen, mit den weiten freien Flächen, wo ein Mann mit rotem Blut seine Lungen mit dem Hauch der Freiheit füllen kann?«
    George hätte seine Heimat, ein langweiliges kleines Nest mit armseliger Wasserversorgung und einer der schlechtesten Sodafontänen in Idaho, zwar nicht mit eben diesen Worten geschildert, doch er nickte liebenswürdig.
    Mr. Waddington fuhr sich mit der Hand über die Augen.
    »Der Westen! Ach, wie eine Mutter ist er mir! Ich liebe jede Blume, die auf dem üppigen Busen seiner weiten Ebene blüht, jeden von der Sonne geküßten Gipfel seiner ewigen Berge.«
    George sagte, das sei ganz sein Fall.
    »Seine schönen Täler, mystisch in ihrer schimmernden, stolzen Pracht, erhaben in dem bebenden, goldenen Funkeln des Blitzes, der über sie hinflackert.«
    »Ah«, sagte George.
    »Die dunklen Föhren, übersät mit strahlenden Lichtfünkchen! Die Espen, tief gebeugt unter dem Wind, wie Meereswogen im Sturm!«
    »Oh!« sagte George.
    »Der wildtobende Eichenwald, der im Feuerschein leuchtet!«
    »Was könnte es Schöneres geben?«
    »Sagen Sie, hören Sie mal«, rief Mr. Waddington, »wir müssen uns öfter sehen. Kommen Sie essen!«
    »Jetzt?«
    »In dieser Minute. Heute abend binden sich zwar ein paar von diesen minderwertigen Millionären des Ostens den Futtersack bei uns vor, aber die werden Sie nicht stören. Wir werden ihnen bloß einen Blick zuwerfen und sie verachten. Und nach dem Essen werden wir in mein Zimmer gehen und ein Männerwort miteinander reden.«
    »Aber wird Mrs. Waddington denn nichts gegen einen Gast im letzten Augenblick einzuwenden haben?«
    Mr. Waddington wölbte seinen Brustkasten vor und schlug wuchtig darauf.
    »Sagen Sie, hören Sie mal – wie heißen Sie? – Finch? – Sagen Sie, hören Sie mal, Finch, sehe ich aus wie ein Mann, der sich von seiner Frau kommandieren läßt?«
    George dachte zwar, genauso sehe er aus, aber er hielt es nicht für den richtigen Augenblick, das zu sagen.
    »Sehr liebenswürdig von Ihnen.«
    »Liebenswürdig? Sagen Sie, hören Sie mal, wenn ich im Sturm über diese unermeßlichen Prärien ritte und zu Ihrer Ranch käme, würden Sie sich dann Gedanken über Liebenswürdigkeit machen, wenn Sie mich hineinbitten würden, ja? Sie würden sagen: ›Immer hereinspaziert, Kamerad! Mein Haus gehört Ihnen.‹ Also, los!«
    »Ferris«, sagte Mr. Waddington in der Diele, »sagen Sie dem Burschen unten in der Küche, daß noch ein Gedeck auf den Tisch muß. Ein Kamerad von mir aus dem Westen ist auf einen Löffel Suppe gekommen.«

DRITTES KAPITEL
1
    Für die vollendete Hausfrau ist es Ehrensache, nie Verstimmung zu zeigen. In schweren Augenblicken strebt sie nach der behaglichen Gemütsruhe einer Rothaut am Marterpfahl. Trotzdem geriet Mrs. Waddington aus der Fassung, als sie Sigsbee H. mit George in den Salon tänzeln sah und ihn mit klingender Stimme verkünden hörte, daß dieser prächtige junge Sohn der westlichen Prärie gekommen sei, um einen Bissen mit ihnen zu essen. Doch sie faßte sich bald wieder und sagte:
    »Ich freue mich ja so sehr, daß Sie kommen konnten, Mr ….«
    Sie brach ab, und George, der sie durch einen Nebel sah, erriet, daß sie seinen Namen wissen wollte. Er hätte sie von Herzen gern aufgeklärt, aber unglücklicherweise hatte er ihn in diesem Augenblick selbst vergessen. Er hatte eine unklare Vorstellung, daß sein Name mit einem F oder mit einem G begann, aber im übrigen war sein Geist leer.
    Während er einen Händedruck mit der Hausfrau tauschte, hatte er Molly erblickt, und das war zuviel für ihn gewesen.
    Molly hatte ihr neues Abendkleid an, und George war es, als seien ihm Schuppen von den Augen gefallen, und er sehe sie zum erstenmal. Bis jetzt hatte er wohl vermutet, daß sie Arme, Schultern und Haare besitze, doch erst in diesem Augenblick erkannte er, wie sehr diese Arme, diese Schultern und dieses Haar im tiefsten

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