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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Donnergrollen verhallte; nun herrschte wieder Stille.
    Es begann zu regnen. Zuerst klatschten nur einzelne dicke Tropfen an die Fenster, dann goß es in Strömen, und der Regen wurde zu einem Wasservorhang, hinter dem die Außenwelt verschwand.
    Der Kunde drehte sich um und grinste. »Tolle Show, was?«
    Bob wollte antworten, schwieg aber, als er sich den Mann genauer ansah und spürte, daß es Unannehmlichkeiten geben würde – wie ein Stück Wild die Nähe eines Wolfs spürt. Der Kerl trug ausgelatschte Springerstiefel, schmutzige Jeans und eine fleckige Windjacke, unter der ein schmuddeliges weißes T-Shirt zu sehen war. Sein vom Wind zerzaustes Haar war fettig, und er hatte einen Dreitagebart. Seine blutunterlaufenen Augen glänzten fiebrig. Ein Junkie, ein Süchtiger! Bob war nicht überrascht, als der Mann einen Revolver aus seiner Windjacke zog, während er auf die Registrierkasse zutrat.
    »Her mit dem Geld aus der Kasse, Arschloch!«
    »Klar.«
    »Aber schnell!«
    »Immer mit der Ruhe, ja?«
    Der Junkie fuhr sich mit der Zungenspitze über die blutleeren, aufgesprungenen Lippen.
    »Okay, okay, klar. Sie kriegen alles«, sagte Bob und versuchte. Laura mit einer Hand hinter sich zu schieben.
    »Laß die Kleine da, wo ich sie sehen kann! Ich will sie sehen. Los, los, hervor mit ihr, du Scheißkerl!«
    »Okay, nur keine Aufregung.«
    Das Gesicht des Kerls war zu einer Grimasse erstarrt, sein ganzer Körper zitterte deutlich sichtbar. »Nach vorn, wo ich sie sehen kann. Und du machst bloß die Kasse auf, verstanden? Laß dir ja nicht einfallen, nach ‘m Revolver zu greifen, sonst kriegst du ‘n Loch in dein’ Scheißkopf!«
    »Ich habe keinen Revolver«, versicherte Bob ihm. Er schaute zu den Fenstern hinüber und hoffte, daß keine Kunden hereinkommen würden, solange dieser Raubüberfall andauerte. Der Junkie wirkte so labil, daß er möglicherweise jeden, der jetzt hereinkam, niederschoß.
    Laura versuchte, unauffällig hinter ihrem Vater Schutz zu suchen, aber der Junkie sagte sofort: »He, stehenbleiben!«
    »Sie ist erst acht …«, wandte Bob ein.
    »Sie ist ‘ne Schlampe, alle sind sie verdammte Schlampen, egal wie alt sie sind.« Seine Stimme überschlug sich beinahe vor Angst, was Bob am meisten erschreckte.
    Obwohl er sich auf den Junkie und dessen Revolver konzentrierte, nahm er im Unterbewußtsein die verrückte Tatsache wahr, daß Skeeter Davis im Radio »The End of the World« sang – es hörte sich geradezu unbehaglich prophetisch an. Mit dem entschuldbaren Aberglauben des Mannes, der mit einer Waffe bedroht wird, wünschte er sich sehnlichst, der Song möge enden, bevor er auf magische Weise das Ende seiner und Lauras Welt herbeibeschwor.
    »Hier ist das Geld, alles Geld, bedienen Sie sich.«
    Der Mann raffte die Scheine von der Ablagefläche neben der Kasse und stopfte sie in eine Tasche seiner schmuddeligen Windjacke. »Gibt’s hinten noch ‘nen Lagerraum?« erkundigte er sich dann.
    »Warum?«
    Der Junkie fegte mit der freien Hand wütend Slim Jims, Life Savers, Drackers und Kaugummi von dem Ständer neben der Kasse. Er versetzte Bob mit dem Lauf des Revolvers einen Stoß. »Du hast ‘nen Lagerraum, Arschloch. Ich weiß, daß du einen hast. Wir gehen jetzt zusammen ins Lager.«
    Bobs Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. »Hören Sie, nehmen Sie das Geld und gehen Sie. Sie haben, was Sie wollen. Gehen Sie bloß. Bitte!«
    Seitdem der Junkie das Geld hatte, wirkte er selbstbewußter, und Bobs Angst machte ihn kühner, obwohl er noch immer sichtbar zitterte. »Keine Sorge«, sagte er grinsend, »ich bring’ keinen um. Ich bin ein Feinspitz, kein Killer. Ich werd’ bloß die Kleine vernaschen, dann verschwind’ ich.«
    Bob verfluchte sich dafür, daß er keine Schußwaffe hatte. Laura klammerte sich an ihn, sie vertraute auf ihn, aber er konnte nichts tun, um sie zu retten. Auf dem Weg in den Lagerraum würde er sich auf den Junkie stürzen und versuchen, ihm den Revolver zu entreißen. Aber er war übergewichtig, nicht in Form. Da er sich nicht rasch genug bewegen konnte, würde er mit einem Bauchschuß sterbend auf dem Fußboden liegend zurückbleiben, während der Dreckskerl Laura ins Lager zerrte und dort vergewaltigte.
    »Bewegt euch!« verlangte der Junkie ungeduldig. »Dalli!«
    Dann fiel ein Schuß. Laura kreischte, Bob zog sie an sich, um sie mit seinem Körper zu decken, aber der Schuß hatte den Junkie getroffen. Die Kugel durchschlug seine linke Schläfe und riß einen

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