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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nahm er seine Pistole aus der Nachttischschublade und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Als erstes ging er ins Sprechzimmer, weil er damit rechnete, daß der Drogenschrank aufgebrochen sein würde. Aber die beiden weißen Hängeschränke mit Medikamenten waren unangetastet.
    Markwell hastete in sein Arbeitszimmer, wo bestimmt der nicht sonderlich massive Wandsafe geknackt worden war. Auch dieser war unversehrt.
    Als er sich verwirrt abwandte, fiel sein Blick auf leere Gin-, Whisky-, Wodka- und Tequilaflaschen, die sich im Ausguß der Hausbar türmten. Der Eindringling hatte sich lediglich noch die Zeit genommen, seine Alkoholvorräte zu suchen und wegzuschütten.
    Am Spiegel hinter der Bar hing ein Zettel. Der Unbekannte hatte eine Nachricht in sauberer Druckschrift hinterlassen:
    Wenn Sie nicht zu trinken aufhören, wenn Sie nicht lernen, Lennys Tod zu akzeptieren, nehmen Sie binnen Jahresfrist eine Pistole in den Mund und setzen so Ihrem Leben ein Ende. Das ist keine Voraussage, sondern eine Tatsache.
    Markwell, der Zettel und Pistole umklammert hielt, sah sich in dem leeren Raum um, als wäre der Unbekannte noch immer da, unsichtbar, ein Gespenst, das nach Belieben zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit wählen könne. »Wer bist du?« fragte er heiser. » Verdammt noch mal , wer bist du?«
    Die einzige Antwort gab der ums Haus heulende Sturm, dessen klagenden Lauten Markwell jedoch keine Bedeutung zu entnehmen vermochte.
    Nach einer sehr früh am Morgen erledigten Vorsprache bei einem Bestattungsunternehmen wegen Janets Beisetzung kam Bob Shane am nächsten Vormittag um 11 Uhr ins Krankenhaus, um seine neugeborene Tochter zu sehen. Nachdem er einen Baumwollkittel angezogen, eine Kappe aufgesetzt, eine Gesichtsmaske angelegt und sich unter Aufsicht einer Krankenschwester die Hände geschrubbt hatte, durfte er die Säuglingsstation betreten, wo er Laura behutsam aus ihrem Bettchen hob.
    Sie lag in dem Raum mit neun anderen Neugeborenen. Alle Babys waren irgendwie hübsch, und Bob glaubte, von väterlicher Voreingenommenheit frei zu sein, wenn er Laura Jean dennoch für die hübscheste von allen hielt. Obwohl man sich Engel normalerweise blond und blauäugig vorstellte, wirkte Laura trotz ihrer braunen Augen und ihres braunen Haares engelhaft. In den zehn Minuten, die er sie auf dem Arm hielt, weinte sie keine Sekunde lang; sie blinzelte, bewegte die Augen, gähnte, sah auch nachdenklich drein – ganz, als wäre sie sich bewußt, eine Halbwaise zu sein, wisse, daß ihr Vater und sie in einer erbarmungslosen, gefährlichen Welt nun aufeinander angewiesen sein würden.
    In eine Wand war ein großes Fenster eingelassen, durch das Verwandte die Neugeborenen betrachten konnten. Dahinter standen fünf Personen. Vier von ihnen lächelten, zeigten auf die Babys und schnitten Grimassen, um sie zu unterhalten.
    Der fünfte Besucher war ein blonder Mann, der eine lange Seemannsjacke trug, in deren Taschen er seine Hände vergraben hatte. Er lächelte nicht, zeigte auf kein Neugeborenes und schnitt keine Grimassen. Er starrte Laura an.
    Als der Unbekannte die Kleine auch nach einigen Minuten nicht aus den Augen ließ, begann Bob sich Sorgen zu machen. Der Kerl sah gut und vertrauenerweckend aus, aber da waren auch harte Linien in seinem Gesicht, und irgend etwas an ihm erweckte in Bob den Verdacht, dies sei ein Mann, der schon schreckliche Dinge erlebt und getan habe.
    Bob erinnerte sich an sensationell aufgemachte Zeitungsmeldungen über Kindesentführer, die Babys stahlen, um sie auf dem Schwarzen Mark zu verkaufen. Dann warf er sich vor, unter Verfolgungswahn zu leiden und Gefahren zu sehen, wo keine waren, weil er nach Janets Tod nun fürchtete, auch seine Tochter zu verlieren. Aber je länger der blonde Mann Laura betrachtete, desto unbehaglicher wurde es Bob zumute.
    Der Mann blickte auf, als spüre er dieses Unbehagen. Die beiden starrten sich an. Die blauen Augen des Fremden waren ungewöhnlich leuchtend und durchdringend. Bobs Angst verstärkte sich. Er hielt seine Tochter an sich gepreßt, als könnte der Unbekannte die Scheibe einschlagen und sie ihm entreißen. Er überlegte, ob er eine der Säuglingsschwestern rufen solle, damit sie mit dem Mann rede und ihn frage, was er hier zu suchen habe.
    Dann lächelte der Unbekannte. Es war ein breites, warmes, ehrliches Lächeln, das sein Gesicht verwandelte. In dieser Sekunde wirkte er nicht mehr bedrohlich, sondern aufrichtig freundlich. Er blinzelte Bob zu und

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