Der Schutzengel
wer zum Teufel Sie sind, Stefan Krieger, aber ich liebe Sie dafür, daß Sie meiner Laura so oft geholfen haben.« Sie setzte sich neben Chris ans Bettende. »Shane, dieser Mann ist ein Prachtexemplar! Ich möchte wetten, daß du ihn angeschossen hast, damit er nicht mehr abhauen konnte. Er sieht genau so aus, wie ich mir einen Schutzengel vorstelle.« Stefan war sichtlich verlegen, aber Thema war nicht mehr zu bremsen. »Sie sehen wirklich verdammt gut aus, Krieger. Ich kann’s kaum erwarten, mehr über Sie zu hören. Aber hier ist erst mal das Geld, das ich mitbringen sollte, Shane.« Sie öffnete ihre geräumige Handtasche und zog einen dicken Packen Hundertdollarscheine heraus.
»Thelma, ich habe dich um viertausend gebeten«, sagte Laura, nachdem sie das Geld flüchtig gezählt hatte. »Das hier ist mindestens das Doppelte!«
»Zehn- oder zwölftausend, glaube ich.« Thelma blinzelte Chris zu. »Wenn meine Freunde auf der Flucht sind, bestehe ich darauf, daß sie Erster Klasse reisen.«
Thelma hörte sich die Geschichte ohne eine einzige ungläubige Zwischenfrage an. Als Stefan ihre Aufgeschlossenheit lobte, wehrte sie ab: »He, für jemand, der einmal im McIllroy Home und in Caswell Hall gelebt hat, enthält das Universum keine Überraschungen mehr. Zeitreisende aus dem Jahre 1944? Pah! Im McIllroy hätte ich dir ‘ne Frau so groß wie ein Sofa zeigen können, die Kleider aus scheußlichen Polsterstoffen trug und im öffentlichen Dienst ein hübsches Gehalt dafür bezog, daß sie Kinder wie Dreck behandelte. Das nenne ich überraschend!« Stefans Herkunft beeindruckte Thelma sichtlich, und ihr gruselte bei dem Gedanken an die Falle, in der sie steckten, aber selbst unter diesen Umständen blieb sie Thelma Ackerson, die allem etwas Komisches abzugewinnen versuchte.
Kurz nach 18 Uhr schob Thelma wieder die falschen Vorderzähne über ihre richtigen und ging los, um aus einem mexikanischen Restaurant in der Nähe Essen zu holen. »Auf der Flucht vor der Polizei braucht ihr Bohnen im Bauch – Essen für harte Männer.« Sie kam mit regennassen Tüten mit Tacos, Behältern mit Enchiladas, zwei Portionen Nachos, Burritos und Chimichangas zurück. Sie breiteten alles auf der unteren Betthälfte aus, Thelma und Chris setzten sich ans Kopfende, Laura und Stefan saßen am Fußende in den beiden Sesseln.
»Thelma«, sagte Laura, »das Essen reicht für zehn!«
»Nun, ich hab mir ausgerechnet, daß es für uns und die Schaben reichen dürfte. Wenn wir die Schaben nicht füttern, werden sie vielleicht böse, gehen ‘raus und stürzen den Wagen meines Gärtners um. Hier gibt’s doch Schaben, oder? Ich meine, ein Klassemotel wie dieses ohne Schaben wäre wie Beverly Hills ohne Baumratten.«
Während sie aßen, schilderte Stefan ihr seinen Plan zur Schießung des Tors und Zerstörung des Instituts. Thelma machte anfangs noch scherzhafte Zwischenbemerkungen, aber als er fertig war, war sie längst ernst geworden. »Das ist verdammt gefährlich, Stefan. So gewagt, daß es wahrscheinlich schon verrückt ist.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Das sehe ich ein«, bestätigte sie. »Wie kann ich euch behilflich sein?«
»Du mußt uns den Computer kaufen, Tante Thelma«, antwortete Chris, der sich eben eine Portion Mais-Chips in den Mund schieben wollte.
»Den besten PC von IBM, mit dem ich auch zu Hause arbeite, weil ich bei dem weiß, wie die Software anzuwenden ist«, sagte Laura. »Wir haben keine Zeit, uns ins Betriebsverfahren eines unbekannten Geräts einzuarbeiten. Ich habe dir alles aufgeschrieben. Mit dem Geld, das du mitgebracht hast, könnte ich den PC selbst kaufen, aber ich möchte mich nicht zuviel in der Öffentlichkeit zeigen.«
»Und wir brauchen ein Versteck.«
»Hier können wir nicht bleiben«, warf Chris ein, der offenbar stolz darauf war, an der Diskussion teilnehmen zu dürfen, »wenn wir mit dem Computer arbeiten wollen. Das Zimmermädchen würde ihn sehen, auch wenn wir versuchen würden, ihn zu verstecken, und darüber reden, weil’s irgendwie verrückt ist, wenn Leute sich mit einem Computer in ein Motel zurückziehen.«
»Laura hat mir erzählt, daß ihr – dein Mann und du – ein zweites Haus in Palm Springs habt«, sagte Stefan.
»Wir haben ein Haus in Palm Springs, eine Eigentumswohnung in Monterey, eine weitere in Vegas … und mich würd’s nicht wundern, wenn wir einen eigenen Vulkan auf Hawai – oder zumindest Zeitwohnrechte darin – besäßen. Mein Mann hat
Weitere Kostenlose Bücher