Der Schutzengel
auftauchen und sie und Chris erschießen.
Ihre eigene Uzi hatte sie trotz Stefans Protests im Motel zurückgelassen. Um sich notfalls verteidigen zu können, war sie jedoch mit dem Chief’s Special Kaliber 38 bewaffnet. Und in den Reißverschlußtaschen ihrer Daunenjacke steckten 50 Schuß Revolvermunition.
Als die neongrelle Phantasmagorie von »Fat Jack’s Pizza Party Palace« wie ein in »Unheimliche Begegnungen der dritten Art« in selbsterzeugten Wolken schwebendes Raumschiff aus dem Nebel auftauchte, atmete Laura erleichtert auf. Sie fuhr auf den überfüllten Parkplatz, fand eine Lücke und stellte den Motor ab. Die Scheibenwischer hörten zu arbeiten auf, und Regenwasser floß in Bächen über die Windschutzscheibe. Rote, blaue, orangerote, gelbe, grüne, weiße, purpurrote und rosa Reflexionen von Leuchtstoffröhren spiegelten sich in dieser fließenden Wasserschicht, so daß Laura das seltsame Gefühl hatte, im Inneren einer dieser altmodischen neonbunten Musicboxen aus den fünfziger Jahren zu sitzen.
»Fat Jack hat noch mehr Lichtreklamen als letztes Jahr«, stellte Chris fest.
»Da kannst du recht haben«, sagte Laura.
Sie stiegen aus und sahen zu der blinkenden, blitzenden, wabernden, zuckenden, schmerzhaft gleißenden Fassade von »Fat Jack’s Pizza Party Palace« auf. Nicht nur der Name des Lokals leuchtete in Neonbuchstaben, sondern Leuchtstoffröhren zeichneten auch die Linien des Gebäudes, das Dach, sämtliche Fenster und die Eingänge nach. Darüber hinaus war der vordere Giebel mit einer riesigen Neonsonnenbrille verziert, während auf dem hinteren ein gigantisches Neonraumschiff startbereit auf einem glitzernden und funkelnden Abgasstrahl stand. Die Neonpizza mit drei Meter Durchmesser war alt, aber das grinsende Neonclownsgesicht war neu hinzugekommen.
Das Neonlicht war so gleißend hell, daß jeder fallende Regentropfen bunt aufleuchtete, als wäre er ein Teil eines bei Einbruch der Dunkelheit zersplitterten Regenbogens. Die Pfützen schimmerten in sämtlichen Regenbogenfarben.
Die Gesamtwirkung war desorientierend – aber sie bereitete den Besucher aufs Innere von »Fat Jack’s Pizza Party Palace«vor, das an das Chaos erinnerte, aus dem vor Äonen das Universum entstanden sein mußte. Die Kellner und Serviererinnen waren als Clowns, Gespenster, Piraten, Raumfahrer, Hexen, Zigeuner und Vampire verkleidet, ein Gesangstrio im Bärenkostüm zog von Tisch zu Tisch und begeisterte die mit Pizzasauce bekleckerten kleinen Gäste. In Nischen an den Seiten des Hauptlokals saßen ältere Kinder vor langen Reihen von Video-spielen, so daß das Piep-peng-zap-bong! dieser elektronischen Spiele das Hintergrundgeräusch für die singenden Bären und die kreischenden Kleinen bildete.
»Irrenhaus!« sagte Chris.
Hinter dem Eingang kam ihnen Dominick entgegen, Fat Jacks Geschäftsführer und stiller Teilhaber. Dominick war groß und sehr hager; er hatte traurige Augen und schien inmitten der allgemeinen Heiterkeit fehl am Platz zu sein.
Laura mußte laut sprechen, um verstanden zu werden. Sie fragte nach Fat Jack und fügte hinzu: »Ich habe vorhin angerufen. Ich bin eine alte Freundin seiner Mutter.« Damit deutete sie an, daß sie keine Pizza, sondern Waffen kaufen wollte.
Dominick hatte gelernt, sich verständlich zu machen, ohne schreien zu müssen. »Sie sind schon mal hier gewesen, glaub’ ich.«
»Tolles Gedächtnis«, sagte sie anerkennend. »Vor ungefähr einem Jahr.«
»Kommen Sie bitte mit«, verlangte Dominick mit Grabesstimme.
Sie brauchten nicht durch die schrille Hektik des Hauptlokals zu gehen, was nur gut war, weil Laura auf diese Weise nicht riskierte, von irgend jemandem erkannt zu werden. Eine Tür, zu der nur Dominick einen Schlüssel hatte, führte vom Vorraum in einen Seitenflur und an Küche und Kühlraum vorbei zu Fat Jacks Privatbüro. Dominick klopfte an, schob die beiden vor sich her über die Schwelle und sagte: »Alte Freunde deiner Mutter.« Dann zog er sich zurück und ließ Laura und Chris mit dem Dicken allein.
Fat Jack nahm seinen Spitznamen ernst und bemühte sich, ihm zu entsprechen. Er war 1,75 Meter groß und wog gut 160 Kilogramm. In seiner riesigen grauen Trainingshose und dem hauteng sitzenden Sweatshirt sah er wie der Dicke auf dem gummierten Photo aus, das Diätwillige kauften und zur Abschreckung an ihren Kühlschrank klebten. Tatsächlich sah er wie der Kühlschrank aus.
Er thronte in einem Ledersessel hinter einem seiner Leibesfülle
Weitere Kostenlose Bücher