Der Schwarm
ist?«
»Statoil würde so was nicht vertuschen.«
»Lassen wir euch mal beiseite. Für die Japaner beispielsweise wäre ein funktionierender Methanexport einem Ölboom gleichzusetzen. Mehr als das! Sie würden unermesslich reich werden. Glaubst du, die Asiaten spielen in der Sache mit offenen Karten?«
Lund zögerte. »Nein.«
»Und ihr?«
»Das hilft uns jetzt nicht weiter. Wir müssen es von denen erfahren, bevor sie es von uns erfahren. Wir brauchen unabhängige Beobachter.Leute, die man nicht mit Statoil in Verbindung bringt. Zum Beispiel...« Sie schien zu überlegen. Dann sagte sie: »Könntest du dich nicht ein bisschen umhören?«
»Was, ich? Bei Ölgesellschaften?«
»Nein, bei Instituten, Universitäten, bei Leuten wie bei deinen Kielern. Wird nicht weltweit in Sachen Methanhydrate geforscht?«
»Schon, aber ....«
»Und bei Biologen. Meeresbiologen! Hobbytauchern! Weißt du was?«, rief sie begeistert. »Vielleicht übernimmst du einfach diesen ganzen Part. Vielleicht richten wir ein Ressort für dich ein. Ja, das ist gut, ich rufe Skaugen an und bitte ihn um ein Budget! Wir könnten ...«
»He. Mal langsam.«
»Es würde sicher gut bezahlt, abgesehen davon, dass du damit nicht viel Arbeit hättest.«
»So was bedeutet eine Scheißarbeit. Ihr könnt das genauso gut machen.«
»Es wäre besser, wenn du es übernimmst. Du bist neutral.«
»Ach, Tina.«
»In der Zeit, die wir hier diskutieren, hättest du schon dreimal mit dem Smithsonian Institute telefonieren können. Bitte, Sigur, es wäre einfach ... Versteh doch, wenn wir da als Konzern mit vitalen Interessen auftreten, hängen uns gleich tausend Umweltschutzorganisationen im Nacken. Die warten doch nur drauf.«
»Aha! Ihr habt nämlich wohl ein Interesse daran, es untern Teppich zu kehren.«
»Du bist ein blöder Arsch.«
»Mitunter.«
Lund seufzte. »Was sollen wir denn deiner Ansicht nach tun? Meinst du, alle Welt würde uns nicht sofort das Schlimmste unterstellen? Ich schwöre dir, Statoil wird nichts unternehmen, bevor wir nicht Klarheit über die Rolle dieser Würmer haben. Aber wenn wir offiziell an zu viele Türen klopfen, macht das die Runde. Dann geraten wir dermaßen in den Fokus, dass wir keinen Finger mehr rühren können.«
Johanson rieb sich die Augen. Dann sah er auf die Uhr.
Zehn durch. Seine Vorlesung.
»Tina, ich muss Schluss machen. Ich rufe dich später an.«
»Kann ich Skaugen sagen, du machst mit?«
»Nein.«
Schweigen.
»Okay«, sagte sie schließlich mit kleiner Stimme.
Es klang, als werde sie zur Schlachtbank geführt. Johanson atmete tief durch.
»Darf ich's mir wenigstens durch den Kopf gehen lassen?«
»Ja. Natürlich. Du bist ein Schatz.«
»Ich weiß. Genau das ist mein Problem. Ich rufe dich an.«
Er packte seine Unterlagen zusammen und hastete zum Hörsaal.
Roanne, Frankreich
Zur gleichen Zeit, als Johanson in Trondheim seine Vorlesung begann, begutachtete Jean Jérôme rund zweitausend Kilometer weiter mit kritischem Blick zwölf bretonische Hummer.
Jérôme schaute grundsätzlich kritisch. Die permanente Skepsis war er der Adresse schuldig, für die er arbeitete. Das Troisgros erfreute sich als einziges Restaurant Frankreichs seit über 30 Jahren in ungebrochener Folge dreier Michelin-Sterne, und Jérôme wollte nicht in die Geschichte eingehen als derjenige, der daran etwas änderte. Sein Verantwortungsbereich umfasste alles, was aus dem Meer kam. Er war sozusagen der Herr der Fische und seit dem frühen Morgen auf den Beinen.
Der Tag des Zwischenhändlers, über den Jérôme die Ware bezog, hatte noch weit früher begonnen als seiner, nämlich um 3.00 Uhr in Rungis, einem bis vor wenigen Jahren unbedeutenden Vorort 14 Kilometer außerhalb von Paris, der über Nacht zum Mekka der gehobenen Küche avanciert war. Auf einem Gebiet von vier Quadratkilometern, bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, versorgte Rungis nun diese und andere Großstädte, Händler, Köche und alle, die wahnsinnig genug waren, ihr Leben in einer Küche zu verbringen, mit Nahrung. In Rungis war das ganze Land vertreten. Milch, Sahne, Butter und Käse aus der Normandie, exquisites bretonisches Gemüse, aromatische Früchte aus dem Süden. Austernlieferanten von der Belon, aus Marennes und vom Bassin d'Arcachon und Thunfisch-Fischer von St-Jean-de-Luz waren mit ihrer Fracht in rasender Fahrt über die Autobahn hergedonnert. Thermoswagen mit Schalen- und Krustentieren bahnten sich ihren Weg zwischen
Weitere Kostenlose Bücher