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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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half den Passagieren heraus, bevor er das Zodiac festmachte. Die Stiege zum Pier war glitschig. Auf der Terrasse des Stationsgebäudes versammelten sich bereits die nächsten Abenteurer, die das Abenteuer vergeblich suchen würden. Anawak verschwendete keinen Gedanken an sie. Er war es leid, sich die Sorgen anderer zu machen.
    »Wenn das so weitergeht, müssen wir umsatteln«, sagte Susan Stringer, als er den Verkaufs- und Ticketraum betrat. Sie stand hinter derTheke und schichtete Prospekte in dafür vorgesehene Ständer. »Wir könnten Waldeichhörnchen beobachten, was meinst du?«
    Die Whaling Station war ein gemütlicher Bazar, voll gepackt mit Kunsthandwerk, Andenkenkitsch, Kleidung und Büchern. Susan Stringer arbeitete als Office Manager bei Davies. Wie einst Anawak, nutzte auch sie den Job, um ihr Studium zu finanzieren. Anawak, seit vier Jahren promoviert, war Davies als Skipper treu geblieben. Er hatte die Sommermonate der vergangenen Jahre genutzt, um ein viel beachtetes Buch über Intelligenz und Sozialstruktur von Meeressäugern zu veröffentlichen und sich mit spektakulären Experimenten die Hochachtung der Fachwelt zu erwerben. Mittlerweile, da er als aufsteigender Stern gehandelt wurde, trudelten wohlklingende Angebote ein, verlockend dotierte Posten, neben denen das Bild vom anspruchslosen Leben inmitten der Natur Vancouver Islands zunehmend an Schärfe verlor. Anawak wusste, dass er früher oder später nachgeben und in eine dieser Städte umsiedeln würde, aus denen die Offerten kamen. Die Entwicklung schien vorgezeichnet. Er war 31 Jahre alt. Bald würde er eine Dozentur übernehmen oder einen Forschungsposten in einem der großen Institute, er würde Artikel in Fachzeitschriften veröffentlichen und zu Kongressen reisen und das kostspielige Obergeschoss eines Hauses bewohnen, gegen dessen Fundamente die Wogen des Berufsverkehrs brandeten.
    Er begann, seine Regenmontur aufzuknöpfen.
    »Wenn man wenigstens was tun könnte«, sagte er düster.
    »Was denn tun?«
    »Suchen.«
    »Wolltest du nicht mit Rod Palm über die Auswertungen der telemetrischen Untersuchungen sprechen?«
    »Hab ich gemacht.«
    »Und?«
    »Da ist nicht viel passiert, wie es aussieht. Sie haben ein paar Tümmler und Seelöwen im Januar mit Fahrtenschreibern ausgerüstet, und das war's. Die Daten liegen vor, aber sämtliche Aufzeichnungen enden kurz nach Migrationsbeginn. Danach: Funkstille.«
    Stringer zuckte die Achseln. »Mach dir keine Gedanken. Sie werden schon kommen. Ein paar Tausend Wale gehen nicht so mir nichts dir nichts verloren.«
    »Offenbar doch.«
    Sie grinste. »Vielleicht stehen sie bei Seattle im Stau. Bei Seattle ist immer Stau.«
    »Sehr komisch.«
    »Komm, mach dich locker! In früheren Jahren haben sie sich auch schon mal verspätet. Was meinst du, sehen wir uns heute Abend bei Schooners?«
    »Ich ... nein. Ich muss das Experiment mit dem Beluga vorbereiten.«
    Sie musterte ihn streng. »Wenn du mich fragst, übertreibst du es ein bisschen mit der Arbeit.«
    Anawak schüttelte den Kopf.
    »Ich muss das machen, Susan. Es ist mir wichtig, und außerdem versteh ich nichts von Börsenkursen.«
    Der Seitenhieb galt Roddy Walker, Stringers Freund. Er war Broker in Vancouver und verbrachte ein paar Tage in Tofino. Seine Vorstellung von Urlaub schien im Wesentlichen darin zu bestehen, jedermann abwechselnd mit seinem Handy und irgendwelchen Finanztipps auf die Nerven zu gehen, beides in gehobener Lautstärke. Stringer hatte längst begriffen, dass da keine Freundschaft heranwuchs, insbesondere seitdem Walker Anawak einen quälenden Abend lang mit Fragen nach seiner Herkunft gelöchert hatte.
    »Du wirst es vielleicht nicht glauben«, sagte sie, »aber Roddy kann auch über was ganz anderes sprechen.«
    »Tatsächlich?«
    »Wenn man ihn nett bittet.«
    Es klang ein bisschen spitz.
    »Schon gut«, sagte Anawak. »Ich komme später nach.«
    »Quatsch. Du kommst ohnehin nicht nach.«
    Anawak grinste.
    »Wenn du mich nett bittest.«
    Natürlich würde er nicht kommen. Er wusste es, und Stringer wusste es auch. Dennoch sagte sie: »Wir treffen uns gegen acht, falls du's dir überlegst. Vielleicht solltest du deinen muschelbewachsenen Arsch ja doch noch rüberwuchten. Toms Schwester ist da, und sie steht auf dich.«
    Toms Schwester war nicht das schlechteste Argument. Aber Tom Shoemaker war kaufmännischer Geschäftsführer von Davies, und Anawak missfiel der Gedanke, sich allzu eng an einen Ort zu binden, den er sich

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