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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gigatonnen von Schlamm und Geröll passierte die Nachricht aus Kiel knapp eine hundertzwanzigstel Sekunde, nachdem sie abgeschickt worden war, das Gebiet unterhalb der Färöer-Inseln und endete in einem zerfetzten Strang. Die robuste Umhüllung mit ihren verstärkenden Drähten und flexiblen Kunststoffschichten war glatt durchtrennt, die zersplitterten Fasern leiteten die Botschaft aus Licht ins Sediment. Mit solcher Wucht hatte die Lawine das Kabel getroffen, dass die zerrissenen Enden hunderte von Kilometern auseinander lagen. Erst im isländischen Becken fand sich TAT 14 wieder, ein nutzloses Stück Hightech, das südlich von Neufundland wieder auf den Schelf gelangte, an dessen Rand es bis nach Boston verlief. Dort mündete es in die Landverbindung. Über die Rocky Mountains gelangte die Datenautobahn schließlich in die westkanadischen Küstengebirge oberhalb Vancouvers, direkt in die Schaltstationen des berühmten Luxushotels Chateau Whistler am Fuße von Blackcomb Mountain, wo die Glasfaser in ein konventionelles Kupferkabel überging. Eine Photodiode kehrte den Prozess um und wandelte die Lichtimpulse zurück in digitale Impulse.
    Unter anderen Umständen wäre auch die Kieler Nachricht auf diese Weise digitalisiert worden, um auf Gerhard Bohrmanns Laptop als E-Mail zu erscheinen. Aber die herrschenden Umstände hatten Bohrmanns Verbindung ebenso abreißen lassen wie die Millionen weiterer Menschen. Eine Woche nach der Katastrophe in Nordeuropa lagen die transatlantischen Internet- und E-Mail-Verbindungen fast vollständig lahm, und telefonische Kontakte kamen – wenn überhaupt – nur via Satellit zustande.
    Bohrmann saß in der großen Halle des Hotels und starrte auf den Bildschirm. Er wusste, dass Suess ihm ein Dokument hatte schicken wollen. Es enthielt Wachstumskurven von Wurmpopulationen und Hochrechnungen, was bei vergleichbarem Befall in anderen Regionen der Welt geschehen konnte. Seit der erste Schock überwunden war, arbeiteten sie in Kiel wie die Besessenen daran.
    Er fluchte. Die angeblich so kleine Welt war wieder groß geworden, voller unüberbrückbarer Räume. Am Morgen hatte es geheißen, E-Mails könnten im Verlauf des Tages über Satellit empfangen werden, aber noch ließ nichts darauf schließen. Wie es aussah, waren sie immernoch an das zerstörte Kabel gefesselt. Bohrmann wusste, dass die Krisenstäbe in fieberhafter Eile mit dem Aufbau autarker Netze befasst waren, aber das Internet brach trotzdem immer wieder zusammen. Er vermutete, dass es weniger an technischen Mängeln als an den Kapazitäten lag. Die militärischen Satelliten arbeiteten zwar einwandfrei, aber nicht einmal die amerikanische Armee war jemals davon ausgegangen, die komplette transatlantische Glasfaserbrücke durch Satelliten kompensieren zu müssen.
    Er griff nach dem mobilen Telefon, das ihm der Stab zur Verfügung gestellt hatte, wählte sich über Satellit nach Kiel ein und wartete. Nach mehreren Anläufen hatte er endlich das Institut in der Leitung und ließ sich mit Suess verbinden. »Nichts ist angekommen«, sagte er.
    »Einen Versuch war's wert.« Suess' Stimme drang klar an sein Ohr, dennoch irritierte Bohrmann die Verzögerung, mit der er antwortete. An Satellitentelefonate konnte er sich einfach nicht gewöhnen. Das Signal musste vom Sender rund 36 000 Kilometer auf- und die gleiche Strecke zum Empfänger absteigen. Man telefonierte mit Pausen und Überlappungen. »Bei uns geht auch nichts mehr. Es wird stündlich schlimmer. Nach Norwegen kommst du nicht mehr durch, Schottland ist mucksmäuschenstill, Dänemark existiert nur noch auf der Landkarte. Und glaub nicht, dass irgendwelche Notfallpläne greifen.«
    »Wir telefonieren doch auch«, sagte Bohrmann.
    »Wir telefonieren, weil die Amerikaner es so eingerichtet haben. Du nutzt die militärischen Vorzüge einer Großmacht. In Europa – vergiss es! Alle wollen telefonieren, alle haben Angst, weil sie nicht wissen, was mit ihren Angehörigen und Freunden ist. Wir haben einen Datenstau. Die paar freien Netze sind belegt von Krisenstäben und Regierungsstellen.«
    »Also, was machen wir?«, sagte Bohrmann nach einer Pause der Ratlosigkeit.
    »Weiß nicht. Vielleicht fährt die Queen Elizabeth noch. Reichen dir die Unterlagen in sechs Wochen, wenn du einen berittenen Boten zur Küste schickst, um sie abzuholen?«
    Bohrmann lächelte gequält.
    »Im Ernst«, sagte er.
    »Im Ernst musst du dir was zu schreiben besorgen. Ich kann's nicht ändern.«
    »Ich

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