Der Schwarm
habe was zu schreiben«, seufzte Bohrmann.
Während er notierte, was Suess durchgab, durchquerte hinter ihm eine Gruppe Uniformierter die Hotelhalle und ging zu denAufzügen. Ihr Anführer war ein hoch gewachsener Schwarzer mit äthiopischem Gesichtsschnitt. Er trug die Rangabzeichen eines Majors der US-amerikanischen Streitkräfte und ein Namensschild mit der Aufschrift PEAK.
Die Gruppe betrat einen der Aufzüge. Auf dem zweiten und dritten Stock stiegen die meisten aus. Die restlichen verließen den Fahrstuhl ein Stockwerk darüber.
Zurück blieb Major Salomon Peak. Er fuhr weiter in den neunten Stock. Hier lagen die Gold Executive Suiten, das Nobelste, was das 550 Zimmer starke Chateau zu bieten hatte. Peak selber bewohnte eine Junior Suite im darunter liegenden Stockwerk. Ein stinknormales Einzelzimmer hätte ihm vollauf gereicht. Er legte keinen Wert auf Luxus, aber die Hotelleitung hatte darauf bestanden, den Stab in ihren besten Räumen unterzubringen. Während er den Flur entlangschritt, das Geräusch der Schritte gedämpft durch dicken Teppichboden, ging er im Kopf noch einmal den geplanten Ablauf der Nachmittagsveranstaltung durch. Männer und Frauen in Zivil und Uniform kamen ihm entgegen. Türen standen offen und gaben Einblick in Suiten, die zu Büros umfunktioniert worden waren. Nach einigen Sekunden erreichte Peak eine breite Tür. Zwei Soldaten salutierten. Peak winkte ab. Einer der beiden klopfte und wartete auf Antwort von drinnen, dann öffnete er zackig die Tür und ließ den Major eintreten.
»Wie geht's?«, sagte Judith Li.
Sie hatte sich ein Laufband aus dem Health Center nach oben bringen lassen. Peak wusste, dass Li mehr Zeit auf dem Band verbrachte als im Bett. Sie sah von dort aus fern, erledigte ihre Post, diktierte Memoranden, Berichte und Reden in das Spracherkennungssystem ihres Laptops, führte Ferngespräche, ließ sich über alles Mögliche informieren oder dachte einfach nur nach. Auch jetzt lief sie. Die schwarzen Haare lagen glatt und glänzend an, gehalten von einem Stirnband. Sie trug eine leichte Trainingsjacke und eng anliegende kurze Hosen. Ihr Atem ging gleichmäßig, trotz des hohen Tempos, das sie vorlegte. Peak musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass die Frau dort auf dem Laufband 48 Jahre alt war. General Commander Judith Li sah aus wie eine gut trainierte Enddreißigerin.
»Danke«, sagte Peak. »Es geht.«
Er sah sich um. Die Suite hatte die Größe einer Luxuswohnung und war entsprechend eingerichtet. Klassische kanadische Elemente – viel Holz und rustikale Behaglichkeit, offener Kamin – mischten sich mitfranzösischer Eleganz. Am Fenster stand ein Flügel. Auch er gehörte eigentlich woandershin, nämlich in die große Halle. Li hatte ihn ebenso wie das Laufband in ihre Räumlichkeiten schaffen lassen. Zur Linken führte ein geschwungener Durchgang in ein riesiges Schlafzimmer. Peak hatte das Badezimmer nicht gesehen, aber gehört, dass es über Whirlpool und Sauna verfügte.
Aus Peaks Sicht war der einzig sinnvolle Gegenstand das klotzige, schwarze Laufband, auch wenn es deplatziert in dem liebevoll gestalteten Wohnraum wirkte. Er fand, dass sich Luxus und Design mit militärischen Dingen nicht vereinbaren ließen. Peak stammte aus einfachen Verhältnissen. Er war nicht zur Armee gegangen, weil er einen Sinn für Schöngeistiges besaß, sondern um von der Straße wegzukommen, die allzu oft in den Knast führte. Beharrlichkeit und bedingungsloser Fleiß hatten ihm schließlich einen College-Abschluss eingebracht und ihm eine Karriere als Offizier eröffnet. Seine Laufbahn diente vielen als Vorbild, aber sie änderte nichts an den Verhältnissen seiner Herkunft. In einem Zelt oder billigen Motel fühlte er sich nach wie vor am wohlsten.
»Wir haben die letzten Auswertungen der NOAA-Satelliten bekommen«, sagte er, während er an Li vorbei aus dem großen Panoramafenster aufs Tal blickte. Die Sonne lag auf den Zedern und Tannenwäldern. Es war schön hier oben, aber Peak sah über die Schönheit hinweg. Ihn interessierten vornehmlich die nächsten Stunden.
»Und?«
»Wir hatten Recht.«
»Es gibt eine Ähnlichkeit?«
»Ja, zwischen den Geräuschen, die der URA aufgenommen hat, und den nicht identifizierten Spektrogrammen von 1997.«
»Gut«, sagte Li mit befriedigter Miene. »Das ist sehr gut.«
»Ich weiß nicht, ob es gut ist. Es ist eine Spur, aber es erklärt nichts.«
»Was erwarten Sie? Dass der Ozean uns irgendwas erklärt?«
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