Der Schwarm
Li drückte die Stopptaste des Laufbands und sprang herunter. »Dafür veranstalten wir ja den ganzen Zirkus, um es rauszufinden. Ist die Runde mittlerweile vollständig?«
»Wir sind komplett. Eben kam der Letzte.«
»Wer?«
»Dieser Biologe aus Norwegen, der die Würmer entdeckt hat. Ich müsste nachsehen, er heißt..«
»Sigur Johanson.« Li ging ins Bad und kam mit einem Handtuch um die Schultern wieder zurück. »Merken Sie sich endlich die Namen, Sal.Wir sind 300 Leute im Hotel, 75 davon Wissenschaftler, das muss doch verdammt nochmal runterzubeten sein.«
»Wollen Sie mir erzählen, Sie hätten 300 Namen im Kopf?«
»Ich habe 3000 im Kopf, wenn es sein muss. Also strengen Sie sich an.«
»Sie bluffen«, sagte Peak.
»Wollen Sie's drauf ankommen lassen?«
»Warum nicht? In Johansons Begleitung befindet sich eine britische Jornalistin, von der wir uns Aufschluss über die Vorgänge am Polarkreis erhoffen. Kennen Sie auch ihren Namen?«
»Karen Weaver«, sagte Li und frottierte sich die Haare. »Lebt in London. Journalistin, Schwerpunkt Meereskunde. Computerfreak. Sie war auf einem Schiff in der Grönländischen See, das später mit Mann und Maus unterging.« Sie grinste Peak mit ihren schneeweißen Zähnen an. »Wenn wir von allem nur so schöne Bilder hätten wie von diesem Untergang, nicht wahr?«
»Allerdings.« Peak gestattete sich ein Lächeln. »Vanderbilt ist jedes Mal wie paralysiert, wenn man drauf zu sprechen kommt.«
»Verständlich. Die CIA hasst es, Informationen nicht einordnen zu können. Ist er eigentlich schon aufgetaucht?«
»Er ist avisiert.«
»Avisiert? Was heißt das?«
»Er sitzt im Helikopter.«
»Die Tragfähigkeit unseres Luftgeräts verblüfft mich jedes Mal aufs Neue, Sal. Ich würde schwitzende Hände bekommen, wenn ich das fette Schwein fliegen müsste. Aber egal. Lassen Sie mich wissen, falls noch irgendwelche bahnbrechenden Erkenntnisse ihren Weg ins Chateau Whistler finden, bevor wir die Hosen runterlassen.«
Peak zögerte. »Wie wollen wir die alle darauf einschwören, den Mund zu halten?«
»Das ist tausendmal besprochen.«
»Ich weiß, dass es tausendmal besprochen wurde. Tausendmal zu wenig. Da unten sitzen jede Menge Leute, die mit Geheimhaltung nicht vertraut sind. Die haben Familie und Freunde. Scharen von Journalisten werden einfallen und Fragen stellen.«
»Nicht unser Problem.«
»Es könnte unseres werden.«
»Lassen wir sie doch in die Armee eintreten.« Li breitete die Hände aus. »Dann unterliegen sie dem Kriegsrecht. Wer das Maul aufmacht, wird erschossen.«
Peak erstarrte.
»Das war ein Witz, Sal.« Li winkte ihm zu. »Hallo! Ein Witzchen.«
»Ich bin nicht in der Stimmung für Witze«, erwiderte Peak. »Ich weiß sehr wohl, dass Vanderbilt den ganzen Haufen am liebsten unter Militärrecht stellen möchte, aber das ist illusorisch. Mindestens die Hälfte sind Ausländer, die meisten Europäer. Wir können denen nicht am Zeug flicken, wenn sie die Vereinbarungen brechen.«
»Wir tun eben so, als könnten wir's.«
»Sie wollen Druck machen? Das funktioniert nicht. Unter Druck hat noch keiner kooperiert.«
»Wer redet denn von Druck? Mein Gott, Sal, wo Sie bloß immer die Probleme herholen. Die wollen helfen. Und sie werden schweigen. Falls sie außerdem glauben, dass sie eingebuchtet werden, wenn sie die Vertraulichkeitserklärung unterlaufen, umso besser. Glaube macht stark.«
Peak sah skeptisch drein.
»Noch was?«
»Nein. Ich denke, wir können loslegen.«
»Gut. Wir sehen uns später.«
Peak ging.
Li sah ihm nach und dachte amüsiert, wie wenig der Mann über Menschen wusste. Er war ein ausgezeichneter Soldat und hervorragender Stratege, aber Menschen von Maschinen zu unterscheiden, fiel ihm schwer. Peak schien zu glauben, es müsse irgendwo am menschlichen Körper ein Programmierfeld geben, um ganz sicherzugehen, dass Anweisungen auch ausgeführt wurden. In gewisser Weise unterlagen fast alle West-Point-Absolventen diesem Irrglauben. Amerikas elitärste Militärakademie war für ihren gnadenlosen Drill bekannt, an dessen Ende nichts als Gehorsam stand, bedingungsloser, auf Knopfdruck erfolgender Gehorsam. Peak hatte nicht ganz Unrecht mit seinen Bedenken, aber was Gruppenpsychologie anging, lag er daneben.
Li dachte an Jack Vanderbilt. Er war hauptverantwortlich auf Seiten der CIA. Li mochte ihn nicht, er stank und schwitzte und hatte einen miserablen Atem, aber er leistete gute Arbeit. Während der letzten Wochen und
Weitere Kostenlose Bücher