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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zornig, als solle er endlich seinen verdammten Arsch in Sicherheit bringen und nach Hause kommen, wo man auf ihn wartete.
    Olsen sah sie einen Moment lang einfach nur an.
    Dann spannte er die Muskeln. Seine freie Hand langte nach oben,packte zu. Er krallte die Finger ins Holz und begann, weiter vorzurücken, bis seine Füße direkt über dem dicken Ast schwebten. Langsam ließ er sich darauf nieder. Jetzt hatte er festen Halt. Er stand. Ein Zucken durchlief seine Schultern. Er löste die Finger, umschlang den Stamm, fühlte die Not des Baumes, sich zu halten in der Flut, drückte sein Gesicht gegen die Rinde und sah weiter hinüber zu seiner Frau.
    Es dauerte endlos. Der Baum hielt stand, und auch das Haus.
    Als das Wasser seinen Tribut ins Meer gezogen hatte, stieg er endlich zitternd hinab in die Wüste aus Trümmern und Schlamm. Er half seiner Frau und seinen Kindern, das Haus zu verlassen. Sie nahmen das Nötigste mit, Kreditkarten, Geld, Papiere und einige hastig zusammengesuchte persönliche Erinnerungen, die sie in zwei Rucksäcke packten. Olsens Auto war irgendwo in der Flut verschwunden. Sie würden laufen müssen, aber alles war besser, als hier zu bleiben.
    Schweigend verließen sie ihre zerstörte Straße, liefen auf die andere Seite des Flusses und fort von Trondheim.
     
     
    Fiasko
    Die Welle breitete sich weiter aus.
    Sie überflutete die Ostküste Großbritanniens und den dänischen Westen. Auf der Höhe von Edinburgh und Kopenhagen wurde der Schelf extrem flach. Unvermittelt erhob sich dort die Doggerbank, ein Relikt aus der Zeit, als Teile der Nordsee noch trockenes Land waren. Die Doggerbank war lange Zeit eine Insel gewesen, auf der sich zahlreiche Tiere vor den immer höher auflaufenden Fluten zusammengedrängt hatten, bis sie schließlich ertranken. Jetzt lag die Bank dreizehn Meter unter dem Meeresspiegel, und sie staute die heranrollende Welle zu neuer Höhe.
    Südlich der Doggerbank standen Plattformen dicht an dicht, insbesondere entlang der britischen Südostküste und oberhalb Belgiens und der Niederlande. Die Welle wütete hier noch schlimmer als im nördlichen Teil, jedoch bremste die zerklüftete Struktur des Schelfs mit ihren Sandbänken, Spalten und Graten den Tsunami ab. Die friesischen Inseln wurden vollständig überflutet, verringerten die Energie der Welle aber um ein Weiteres, sodass sie Holland, Belgien und Norddeutschland mit verminderter Wucht traf. Nur noch knapp einhundert Stundenkilometer schnell erreichte die Wasserwand schließlich Den Haag und Amsterdam und zerstörte große Teile der seenahen Gebiete.Hamburg und Bremen erlebten ein rabiates Hochwasser. Sie lagen weiter im Landesinnern, dafür waren die Mündungen von Elbe und Weser kaum geschützt. Der Tsunami wälzte sich die Flussläufe entlang und überschwemmte das Umland, bevor er die Hansestädte erreichte. Selbst in London schwoll kurzzeitig die Themse an, trat über die Ufer und ließ Schiffe in Brücken krachen.
    Die Ausläufer der Flut schossen durch die Straße von Dover und waren noch in der Normandie und an der bretonischen Küste zu spüren. Nur die Ostsee mit Kopenhagen und Kiel entging dem Fiasko. Zwar rollte auch hier schwere See heran, aber wo Skagerrak und Kattegat ineinander flossen, verwirbelte der Tsunami und brach in sich zusammen. Dafür schlug die Welle im hohen Norden gegen die Küste Islands und erreichte noch Grönland und Spitzbergen.
     
    Die Olsens hatten unmittelbar nach der Katastrophe höheres Gelände aufgesucht. Knut Olsen vermochte später nicht zu sagen, warum sie so gehandelt hatten. Es war seine Idee gewesen. Möglicherweise besaß er dunkle Erinnerungen an einen Film über Tsunamis oder einen Bericht, den er irgendwann gelesen hatte. Vielleicht war es einfach nur Intuition. Aber ihre Flucht rettete der Familie das Leben.
    Die meisten Menschen, die das Kommen und Gehen eines Tsunamis überlebten, starben dennoch. Sie kehrten nach der ersten Welle zurück in ihre Dörfer und Häuser, um nachzusehen, was übrig war. Aber Tsunamis breiteten sich in mehreren aufeinander folgenden Wellen aus. Den extrem großen Wellenlängen war es zuzuschreiben, dass der nächste Wasserberg erst eintraf, wenn man die Katastrophe schon überstanden glaubte.
    So auch diesmal.
    Nach über einer Viertelstunde jagte die zweite Welle heran, nicht minder gewaltig als die vorangegangene, und erledigte, was der Vorgänger nicht geschafft hatte. Eine dritte Welle zwanzig Minuten später war nur noch halb so

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