Der Schwarm
sie tun«, fügte der Verteidigungsminister hinzu.
»Das Böse«, sagte der Präsident mit stark zusammengekniffenen Lidern. »Wie kann man das Böse besiegen?«
»Reden wir mit ihnen«, sagte Li.
» Kontaktaufnahme ?«
»Man kann auch mit dem Teufel verhandeln. Ich sehe augenblicklich keinen anderen Weg. Johanson vertritt die These, dass sie uns auf Trab halten, um uns daran zu hindern, Lösungen zu finden. So viel Zeit dürfen wir ihnen nicht geben. Noch sind wir handlungsfähig, also sollten wir sie suchen und Kontakt aufnehmen. – Dann schlagen wir zu.«
»Gegen Tiefseewesen?« Der Minister für Heimatschutz schüttelte den Kopf. »Du lieber Himmel.«
»Sind wir eigentlich alle der Ansicht, dass an der Theorie was dran ist?«, fragte der CIA-Direktor in die Runde. »Ich meine, wir reden darüber, als seien sämtliche Zweifel ausgeräumt. Wollen wir uns ernsthaft auf den Gedanken einlassen, dass wir die Erde mit einer zweiten intelligenten Rasse teilen?«
»Es gibt nur eine göttliche Rasse«, betonte der Präsident entschieden. »Und das ist die Menschheit. Wie intelligent diese Lebensform im Meer ist, steht auf einem anderen Blatt. Ob sie das Recht hat, diesen Planeten ebenso zu beanspruchen wie wir, darf zutiefst bezweifelt werden. Die Schöpfungsgeschichte sieht solche Wesen nicht vor. Die Erde ist die Welt der Menschen, sie wurde für die Menschen geschaffen, und Gottes Plan ist unser Plan. – Aber dass eine fremdartige Lebensform für all dies verantwortlich ist, scheint mir akzeptabel.«
»Nochmal«, wollte die Außenministerin wissen. »Was sagen wir der Welt?«
»Es ist zu früh, der Welt etwas zu sagen.«
»Sie wird Fragen haben.«
»Erfinden Sie Antworten. Dafür sind Sie Diplomatin. Wenn wir der Welt damit kommen, im Meer wohne eine zweite Menschheit, wird sie schon am Schock eingehen.«
»Übrigens«, sagte der CIA-Direktor an Li gewandt. »Wie sollen wir diese kranken Hirne im Ozean überhaupt nennen?«
Li lächelte. »Johanson hatte einen Vorschlag: Yrr.«
»Yrr?«
»Y und zwei r. Es ist ein zufälliger Name. Das Resultat unbewusster Fingerarbeit auf dem Laptop.«
»Albern.«
»Er meint, der Name sei so gut wie jeder andere, und da gebe ich ihm Recht. Ich finde, wir sollten sie Yrr nennen.«
»Gut, Li.« Der Präsident nickte. »Wir werden sehen, was an dieser Theorie dran ist. Wir müssen alle Optionen in Erwägung ziehen, alle Möglichkeiten. Aber wenn wir am Ende wirklich feststellen, dass wir eine Schlacht gegen Wesen zu schlagen haben, die wir meinethalben Yrr nennen wollen, werden wir eben die Yrr besiegen. Dann gibt es Krieg gegen die Yrr.« Er sah in die Runde. »Dies ist eine Chance. Eine sehr große Chance. Ich will, dass sie genutzt wird.«
»Mit Gottes Hilfe«, sagte Li.
»Amen«, nuschelte Vanderbilt.
Weaver
Zu den Vorzügen des Chateaus in Zeiten der Belagerung gehörte, dass alles durchgehend geöffnet hatte. Niemand hier ging den Gewohnheiten der üblichen Gästeschaft nach. Li hatte geltend gemacht, dass insbesondere die Wissenschaftler Tag und Nacht würden arbeiten müssen und möglicherweise morgens um vier Lust auf T-Bone-Steak bekämen. Als Folge gab es rund um die Uhr warme Mahlzeiten, Restaurants, Bar und Aufenthaltsräume waren besetzt, und sämtliche Sportanlagen inklusive Sauna und Schwimmbad hatten vierundzwanzig Stunden geöffnet.
Weaver hatte eine halbe Stunde lang im Pool ihre Bahnen gezogen. Mittlerweile war es nach eins. Barfuß und mit nassen Haaren, in einen weichen Bademantel gehüllt, durchquerte sie die Lobby zu den Aufzügen, als sie aus dem Augenwinkel Leon Anawak bemerkte. Er saß am Tresen der Hotelbar, ein Platz, wo er ihrer Meinung nach am allerwenigsten hinpasste. Verloren hockte er vor einer unangetasteten Cola und einer Schale Erdnüsse, pickte alle paar Sekunden eine heraus, sah sie an und ließ sie zurückfallen.
Sie zögerte.
Seit der abgebrochenen Unterhaltung vom Vormittag hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht wollte er ungestört sein. Immer noch herrschte Geschäftigkeit in der Halle und den angrenzenden Räumen, nur die Bar war nahezu leer. In einer Ecke saßen zwei Männer in dunklen Anzügen, in gedämpfte Unterhaltung vertieft. Ein Stück weiter starrte eine Frau im Drillich konzentriert in ihren Laptop. Leise Westcoastmusik wob die Szene in Belanglosigkeit.
Anawak sah nicht eben glücklich aus.
Während sie noch überlegte, ihre Suite aufzusuchen, betrat sie schon die Bar. Ihre Füße patschten
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