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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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bedauern konnte. Du kennst die Geschichte. – Aber Licia? Mein Gott. Ich hatte nicht mal irgendwelche Ambitionen. Eine Studentin, die mir auf die Nerven gegangen ist, bevor ich mich daran gewöhnte, sie zu mögen.«
    Weaver zögerte. Zaghaft berührte sie seine Schulter. Anawaks Finger strichen über ihre Hand.
    »Deine Programmierung funktioniert übrigens«, sagte er.
    »Das heißt, im Labor müssen sie jetzt nur noch die Biologie entsprechend umkrempeln.«
    »Ja. Darin liegt das Problem. Es bleibt eine Hypothese.«
    Sie hatten die virtuellen Einzeller mit einer lernfähigen DNA versehen, die in der Lage war, ständig zu mutieren. Im Grunde war jede einzelne Zelle nach diesem Modell ein autarker kleiner Computer, der sein Programm ständig umschrieb. Jede neue Information veränderte die Struktur des Genoms. Machte eine bestimmte Menge der Zellen eine Erfahrung, veränderte diese Erfahrung ihre genetische Struktur. Verschmolzen die veränderten Zellen mit anderen Zellen, gaben sie die neuen Informationen weiter, und die DNA der anderen glich sich entsprechend an. Auf diese Weise lernte das Kollektiv nicht nur ständig dazu, die Verschmelzung sorgte überdies für einen ständigen Informationsgleichstand. Jedes neue Wissen Einzelner bereicherte die Gesamterfahrung des Kollektivs.
    Der Gedanke kam einer Revolution gleich. Er hätte bedeutet, dass Wissen vererbbar war. Nachdem sie die Sache mit Johanson, Oliviera und Rubin besprochen hatten, herrschte größere Ratlosigkeit denn je, weil die Idee einerseits begeistert aufgenommen wurde.
    Andererseits hatte sie einen gewaltigen Haken.
     
     
    Kontrollraum
    »Wenn eine DNA mutiert, führt das zu einer Veränderung der genetischen Information«, erklärte Rubin. »Und das ist bei allen Lebewesen problematisch.«
    Mitten in der Auswertung der Tests hatte er sich aus dem Labor gestohlen, angeblich, weil ihn wieder die Migräne überkam. Stattdessen saß er im geheimen Kontrollraum zusammen mit Li, Peak und Vanderbilt. Sie gingen die Abhörprotokolle durch. Natürlich wusste jeder im Raum von dem Programm, das Weaver und Anawak erstellt hatten, und auch von ihrer Theorie. Aber bis auf Rubin konnte keiner etwas damit anfangen.
    »Ein Organismus ist darauf angewiesen, dass seine DNA intakt bleibt«, sagte Rubin. »Andernfalls erkrankt er, oder seine Nachkommen werden krank. Radioaktive Strahlung zum Beispiel ruft in der DNA irreparable Schäden hervor, mit dem Ergebnis, dass Mutanten geboren werden oder die Leute Krebs bekommen.«
    »Aber was ist mit evolutiver Weiterentwicklung?«, fragte Vanderbilt. »Wenn wir uns vom Affen zum Menschen entwickelt haben, kann die DNA nicht immer gleich geblieben sein.«
    »Richtig, aber die Evolution vollzieht sich über einen ziemlich langen Zeitraum. Und sie wählt immer diejenigen aus, bei denen die natürliche Mutationsrate zu einer optimalen Anpassung an die jeweils herrschenden Zustände führt. Von den Misserfolgen der Evolution ist kaum je die Rede, dennoch sondert die Natur eine Menge aus. Aber zwischen grundlegender genetischer Veränderung und Aussonderung liegt die Reparatur. Denken Sie an Sonnenbräune. Sonnenlicht verändert die Zellen der obersten Hautschichten, das führt zu Mutationen in der DNA. Wir werden braun, und wenn wir nicht aufpassen, werden wir rot und verbrennen. In diesem Fall stößt der Körper die zerstörten Zellen ab. Im anderen Fall repariert er sie. Gäbe es diese Reparaturen nicht, wären wir nicht lebensfähig. All die kleinen Mutationen würden sich aufschaukeln, keine Wunde würde verheilen, keine Krankheit ließe sich überstehen.«
    »Verstanden«, sagte Li. »Aber wie sieht das bei Einzellern aus?«
    »Genauso«, sagte Rubin. »Wenn ihre DNA mutiert, muss sie repariert werden. Schauen Sie, solche Zellen vermehren sich durch Teilung. Wenn die DNA nicht repariert würde, bliebe keine Spezies stabil. Egal, welche Zelle Sie nehmen, die Natur hat ein Interesse daran, die Mutationsrate auf einem erträglichen Niveau zu halten. – Nur, jetzt kommt der Haken in Anawaks Theorie. Ein Genom wird immer globalrepariert, auf ganzer Länge. Sie müssen sich vorstellen, dass Reparaturenzyme wie Polizeistreifen die gesamte DNA entlang patrouillieren und nach Fehlern Ausschau halten. Sobald sie eine schadhafte Stelle entdecken, starten sie die Reparatur. Damit die Information, welches der ursprüngliche, richtige Zustand ist, erhalten bleibt, sind die Reparaturenzyme sozusagen die Hüter des genomischen Wissens.

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