Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Joseph Habakuk Tim – – –«
    »Halt ein, halt ein, halt ein!« schrie der Hobble-Frank, indem er sich beide Ohre zuhielt. »Wenn das so fortgeht, bekomme ich entweder den Wadenkrampf, oder ich schpringe ins erste, beste Wasser! Um eene solche Völkerzählung anhören zu können, muß man ja Nerven wie Telegraphenkabel und Ohrläppchen wie een Elefant besitzen! Timpe, Timpe, Timpe und immer wieder Timpe! Und nun diese Vornamen dazu! Sagen Sie, was haben Sie denn eegentlich für Onkels, für Tanten und für Paten gehabt, daß sie Ihnen solche Namen anhefteten?«
    »Die hießen alle auch Timpe.«
    »Alle guten Geister! Jetzt hört es auf! Wenn Sie nur noch een eenziges Mal Timpe sagen, schieße ich Sie gradewegs über den Haufen; ich muß mein Leben retten! Thun Sie mir den Gefallen, und schreiben Sie an das sächsische Ministerium, um sich eenen andern Namen herüberschicken zu lassen, sonst kann ich unmöglich mit Ihnen verkehren!«
    »Das können wir uns leichter machen. Wir lassen uns nämlich von guten Freunden bei den abgekürzten Vornamen nennen, also Kas und Has anstatt Kasimir und Hasael. Wollen Sie?«
    »Ja, das lasse ich mir eher gefallen; so eenen guten Freund sollen Sie gern an mir haben. Setzen wir uns jetzt, und – – – ah, was is denn das?«
    Diese Frage galt den vollen Tellern und Flaschen, welche der Keeper jetzt auf den Tisch stellte; er winkte nach dem Engineer hin, und dieser erklärte, daß er es für eine hochgeschätzte Ehre halten würde, wenn die Gentlemen seine Gäste sein wollten. Nach amerikanischer Ansicht wäre es eine große Beleidigung gewesen, diese Einladung zurückzuweisen; darum wurde sie angenommen. Hobble-Frank und die Timpes sprachen den Gaben wacker zu; Old Shatterhand aß wenig und nahm nur ein Gläschen Wein; Winnetou verzichtete ganz auf den Trank. Er hatte wohl alle Arten von Spirituosen einmal gekostet, sie dann aber nie wieder getrunken; er wußte gar wohl, daß das »Feuerwasser« der größte Feind des roten Mannes ist, und, fügen wir hinzu, des weißen Mannes auch!
    Während des Mahles wogte die Unterhaltung erregt hin und her. Old Shatterhand wollte vor allen Dingen wissen, welchem Umstande er sein heutiges Zusammentreffen mit Frank zu verdanken habe. Dieser antwortete:
    »Wir sehen uns hier wieder, weil es mir grad wie Ihnen und der Wachtel geht.«
    »Sonderbare Zusammenstellung!«
    »Gar nich sonderbar! Wenn’s der Wachtel in Deutschland nicht mehr gefällt, wird sie unruhig und fliegt übersch Meer; Sie halten’s ooch nich lang derheme aus. Wenn man mal an Ihre Thüre klopft, um Sie zu besuchen, sind Sie gewöhnlich ausgeflogen. Man muß Ihnen also nachfliegen, wenn man partuh mit Ihnen schprechen will. Ich hatte verschiedene kleene Anliegen an Sie und setzte mich also offs Elbschiff, um zu Ihnen zu fahren. Als ich ankam, waren Sie fort, und man sagte mir, daß Sie herüber seien, um mit Winnetou zusammenzutreffen. Aber wo, das wußte man nich. Da packte mich das Savannenfieber; ich schloß meine Villa ›Bärenfett‹ zu und dampfte Ihnen nach. Ich wußte ja, daß ich bei den Mescalero-Apatschen gewiß erfahren würde, in welcher Gegend Sie zu finden sind. Wir fuhren, so weit, wie es ging, den Arkansas hinauf, und nahmen dann Pferde, um über Santa Fé nach dem Rio Pecos zu reiten.«
    »Wir? Du bist also nicht allein?«
    »Nee. Mein Vetter Droll war natürlich mit.«
    »Die gute ›Tante Droll‹? Wo steckt er denn? Wo hast du ihn gelassen?«
    »Ich habe ihn gar nich gelassen. Und wo er schteckt? Im Bette!«
    »Hier?«
    »Ja, hier.«
    »Aber, Frank, warum weckst du ihn denn nicht?«
    »Weil dem lieben Kerl das bißchen Schlaf zu gönnen is. Er is nämlich krank.«
    »Krank? Da muß ich ihn ja sehen! Hier im wilden Westen krank, das ist etwas ganz andres als daheim! Ist’s gefährlich?«
    »Gefährlich nich, aber sehr schmerzhaft, wie es scheint.«
    »Was ist’s denn für ein Leiden?«
    »Een ganz sonderbares. Ich habe noch nie davon gehört und wollte es erst gar nich glooben. Er hat nämlich die Insel Ischia in den Beenen.«
    »Die – – Insel – – Ischia?« fragte Old Shatterhand gedehnt. Er hätte am liebsten laut aufgelacht, that dies aber nicht, sondern blieb ernst, weil er die Eigenheiten des Hobble kannte; wer sich seine lustigen Verwechslungen nicht gefallen ließ, der durfte sich auf Grobheiten gefaßt machen.
    »Ja, die Insel Ischia,« nickte Frank ernst.
    »Weißt du, wo diese Insel liegt?«
    »Natürlich! Sie liegt zwischen dem

Weitere Kostenlose Bücher